Sammlungsgeschichte
Vom Museum mit regionalem Schwerpunkt zur international anerkannten Institution
Das Kunstmuseum Thurgau beherbergt und pflegt die Sammlung des Kantons Thurgau. Diese geht zurück auf eine Initiative der Thurgauer Regierung, die während des 2. Weltkriegs begann, Kunstwerke zu erwerben. Ab 1942 gab es einen regulären Kunstkredit, der zuerst mit SFr. 3'000.- dotiert war, dann 1945 auf SFr. 5'000.- und 1950 auf SFr. 10'000.- erhöht wurde. Dieser Budgetposten diente nicht nur dem Ankauf von Kunstwerken sondern auch der allgemeinen Kulturförderung. Neben dem Erwerb von Bildern wurden so Beiträge an Kunstausstellungen oder an eine Ehrengabe an Alfred Huggenberger gesprochen. Bis 1955 wurden jährlich zwei bis fünf Werke angeschafft.
In den ersten Jahren erfolgte die kantonale Sammeltätigkeit ohne eigentliches Sammlungskonzept. Die Bilder dienten der Ausschmückung der Amtsstuben sowie Bildungs- und Repräsentationszwecken, was sich in der Wahl der gekauften Werke zeigt. Beliebt waren Landschaften. Die erste Inventarnummer der Sammlung ist so eine Ansicht des Lago di muzzano des Tessiner Künstlers Pietro Chiesa, die 1940 für tausend Franken erworben wurden. Dann folgte eine Tessiner Landschaft von Theo Glinz; aber schon als drittes Bild erwarb die Regierung das Werk „Schiffsteg im Winter“ von Adolf Dietrich, für das 1941 SFr. 250.- bezahlt wurde. Leider blieb der Kauf solch aussergewöhnlicher Werke die Ausnahme. In den ersten Jahrzehnten gelangten hauptsächlich konventionelle, aus heutiger Sicht wenig bedeutende Bilder und Skulpturen in die Sammlung.
Das Jahr 1963 brachte einen wichtigen Schritt hin zur Professionalisierung der Sammlungstätigkeit des Kantons. Es wurde eine „Kommission zur Förderung der bildenden Kunst“ eingesetzt, die mit einem auf SFr. 15'000.- erhöhten Ankaufsbudget Ankäufe tätigen konnte. Ziel dieser Massnahme war es, „eine gezielte und systematische Kunstförderung“ zu betreiben, da „allmählich an die Anlage einer öffentlichen Kunstsammlung im Kanton Thurgau herangetreten werden muss“.
Der Kommission gehörten am Anfang neben drei Kantonsräten, dem Künstler Andrea Nold und dem Präsidenten der Thurgauischen Kunstgesellschaft Ernst Mühlemann, wichtige Staatsbeamte an, so wie der kantonale Denkmalpfleger Albert Knöpfli, der Kantonsbaumeister Rudolf Stuckert, der Sekundarschulinspektor Werner Schmid oder der Staatsarchivar Bruno Meyer. Eine ihrer wichtigsten Aufgaben war es, der Regierung Kunstwerke zum Ankauf vorzuschlagen. Die Kommission erfüllte in wechselnder Zusammensetzung ihre Aufgaben bis ins Jahr 2002, als sie im Zusammenhang mit der Reorganisation der Kulturaktivitäten des Kantons und der damit einhergehenden Gründung des Kulturamtes aufgelöst wurde.
1973 erhielt die Thurgauische Kunstsammlung ein erstes, provisorisches Ausstellungsgebäude in der Villa Sonnenberg in Frauenfeld, wobei die Sammlungsbestände durch die Ausstellungstätigkeit oft ins Depot verdrängt wurden. Erst zehn Jahre später konnten in der Kartause Ittingen definitiv moderne Museumsräume bezogen werden, in denen dauernd eine breitere Präsentation der Sammlung möglich wurde.
Mit der Eröffnung des „Kunsthauses“ in Frauenfeld ging 1973 die Anstellung von Heinrich Ammann als Konservator zur Betreuung und Vermittlung der Sammlung einher. Mit ihm erhielt das Museum erstmals ein Sammlungs- und Ausstellungskonzept, das sich schwerpunktmässig auf Thurgauer Kunst konzentrierte. Dieses Konzept der „Hauptmeister der Thurgauer Kunst“ bestimmte ab 1983 auch die Sammlungspräsentation in der Kartause. Adolf Dietrich, Helen Dahm, Carl Roesch, Ernst Brühlmann, Ignaz Epper und Ernst Kreidolf wurden in den sogenannten Künstlerklausen in Form kleiner Einzelausstellungen vorgestellt. Der „zeitgenössischen Kunst“ verblieb der Restraum im langen Korridor, wo in wechselnder Präsentation jeweils unterschiedliche künstlerische Positionen zur Diskussion gestellt wurden.
Spätestens als sich die Möglichkeiten eines Kunstmuseums in der Kartause Ittingen abzeichneten, setzte sich die Erkenntnis durch, dass eine rein auf regionale Kunst abstützende Sammlung langfristig zuwenig attraktiv ist. Ab 1975 wurde so um die Werkgruppe von Adolf Dietrich ein Schwerpunktgebiet „Internationale naive Kunst“ geschaffen. Bis in die frühen Neunzigerjahre wurden bedeutende Werkgruppen vor allem französischer Naiver wie Camille Bombois, André Bauchant oder Emeric Fejes angekauft, so dass sich heute einige auserlesene Bilder dieser Zeitgenossen Picassos und Le Corbusiers in der Thurgauischen Kunstsammlung finden. Ab 1995 wurde die Auseinandersetzung mit den Naiven geöffnet hin zur „Aussenseiterkunst“, die auch die art brut oder das Schaffen von „Lebenskunstwerkern“ umfasst. Entsprechend konnten wichtige Bilder oder Zeichnungsserien von Jakob Greuter, Josef Wittlich, Theo (Wagemann) oder Hedy Zuber erworben werden. Diese Öffnung brachte einen unverhofften Gewinn. Seit den Siebzigerjahren gibt es zwischen Strömungen der zeitgenössischen Kunst und den Aussenseitern immer wieder fruchtbare Berührungen, so dass sich zwischen zwei Sammlungsgebieten des Museums mancherlei fruchtbare Beziehungen herstellen liessen. Wichtig in diesem Öffnungsprozess war die Übernahme des Nachlasses von Hans Krüsi, der dem Museum 1995 vom Künstler testamentarisch hinterlassen worden war. Das Wagnis der Übernahme des Nachlasses von Hans Krüsi konnte nur eingegangen werden, weil bereits 1994 der gesamte Dietrich-Nachlass als Depositum der Thurgauischen Kunstgesellschaft ins Museum gelangt war, so dass bereits entsprechende Erfahrungen im Umgang mit Nachlässen bestanden.
Im Museumsleitbild 1993 wurde auch die strikte Beschränkung auf in der Region wohnhafte Künstlerinnen und Künstler aufgegeben. Seither zeigt das Kunstmuseum Thurgau immer wieder Ausstellungen und Installationen international bekannter Künstlerinnen und Künstler, wobei das Gezeigte immer einen engen Bezug zum Ort aufweist. Im Kunstmuseum Thurgau wird gezeigt, was an diesem besonderen Ort auf Grund der besonderen räumlichen und stimmungsmässigen Voraussetzungen eine besondere Wirkung entfalten lässt.