Direkt zum Inhalt springen
  • Drucken
  • Sitemap
  • Schriftgrösse

Rachel Lumsden: Sound of Pleiades

Rachel Lumsden, "Sound of Pleiades", 2018, Öl auf Pappelholzplatte auf Alukeilrahmen mit Leinwand überzogen, 170 x 210 cm, Kunstmuseum Thurgau

Herstellungsjahr: 2018

Technik: Öl auf Pappelholzplatte auf Alukeilrahmen mit Leinwand überzogen

Masse: 170 x 210 cm

Rachel Lumsdens Gemälde sind Bilderrätsel von halluzinogener Anmutung. Dabei bilden immer reale Situationen den Ausgangspunkt. Zum Beispiel der Blick einer Frau durch ein geschwärztes Glas zur Beobachtung von Himmelsphänomenen. Oder ein militärisches Panzerschiff, das in der arkadischen Landschaft wie ein apokalyptisches Raumschiff wirkt.
Inspirationsquellen für Rachel Lumsden sind oft gefundene Fotografien aus der populären Bildwelt, aber auch Elemente aus der Kunstgeschichte, aus analogen und digitalen Quellen. Die Malerin wählt Ausschnitte und verfremdet die Konstellationen in einer besonderen Art und Weise. Sie steigert die Farbintensität und schafft traumartig-bizarre, sich wie von Zauberhand einstellende Anordnungen: Auf einmal kippt die Realität, entgleitet und offenbart ein surreales Eigenleben.
Rachel Lumsden gelingt es durch ihre charakteristische Malweise, dieses Zerbrechen der hauchdünnen Schicht Normalität im Bild aufscheinen zu lassen. Die verschiedenen Ebenen zeigt sie als impressionistisch aufgelöst, ineinander vibrierend verwoben, aber auch mit sichtbarem Pinselstrich vereinfacht, sich verselbständigend. Und so wirken die Menschen auf der Landzunge in ihrer Betrachtung des Schiffs plötzlich symbolisch, wie wir die Malerei als Medium betrachtend – als Geheimnis und Erkenntnisinstrument zugleich.

Drei Fragen anlässlich der Ausstellung "Pinsel, Pixel und Pailletten - Neue Malerei" (2020), drei Antworten von Rachel Lumsden:

Wie beginnst Du ein Bild? Der Beginn eines Bildes kommt aus dem Verlangen, den Konjunktiv hinter sich zu lassen und die Augen aufzureissen: WAS GESCHIEHT, WENN …? Sichtbar wird das nur, wenn man sich einen Tritt gibt und einen Klecks Farbe setzt. Der als Reaktion eine zweite Spur Farbe verlangt. Es ist dies eine Art Loop, in dem eine Setzung eine nächste mit sich zieht und einen visuellen Dialog entstehen lässt. Manchmal ohne Karte, ohne Kompass. Wo ein Bild endet, beginnt ein nächstes als Antwort auf die Fragen, die das Malen des ersten Bildes aufgeworfen hat. Das ist die Dringlichkeit der Malerei. Dringlichkeit" ist heute ein Modewort für die Malerei. Der Kurator Hans-Ulrich Obrist nennt die Malerei ein urgent medium today" und bezieht sich damit auf dieses Dringliche und Eindringliche der Malerei, als handelte es sich um ein gänzlich neuartiges Phänomen. Das stimmt natürlich nicht. Dringlichkeit – vielleicht sogar verzweifeltes Verlangen – war immer schon die bestimmende Kraft des Malens. Maler wissen das schon lange. Das ist auch der Grund, weshalb Malerei nie stirbt, auch wenn sie von vielen Seiten schon totgesagt wurde.

Was macht gute Malerei aus? Das Beugen der Grammatik des Farbauftrags, indem das Figurative bis an den Rand der Auflösung getrieben wird, dort, wo die Stofflichkeit der Farbe herrscht. Aber ohne das Figurative zu verraten oder verloren gehen zu lassen, sodass das Bild sich und seinen Parametern treu bleibt. Für gute Malerei ist das zentral: Ein Werk zu schaffen, das sich selbst und dem ihm eigenen Regelwerk treu bleibt. Denn jedes Werk hat seine eigenen Variablen und bestimmt seine eigenen Parameter. 

(Wie) verändern digitale Bildwelten den Blick auf die Malerei? Ich finde es interessant, dass viele Foto-Apps die hohe Auflösung digitaler Bilder geradezu bekämpfen, indem sie Farben ausblühen lassen oder Staub- und Kratzereffekte hinzufügen. Offenbar vermisst man das Magische und Melancholische der analogen Fotografie. Die Malerei hat das nie verloren, weil sie ans Auge und die Brechung des Lichts in dessen organischen Stoffen und Flüssigkeiten gekoppelt bleibt. Sie ist zuerst ein sensorisches Medium, danach ein zerebrales. Meine Vermutung ist, dass die Malerei als Vertreterin des "warmen" Sehens angesichts digitaler Bildwelten eher an Attraktivität und einer Verstärkung der Aufmerksamkeit gewinnt.
Der einzige, aber grosse Nachteil bei all dem ist die falsche Annahme, dass Malerei durch ein digitales Zwischenmedium vollständig erlebt werden kann. Selbst Kunstprofis können plötzlich von dem Reichtum, der Intensität und der Überzeugungskraft einer Erfahrung vor einem Gemälde überrascht sein, nachdem sie jahrelang dieselben Werke online oder in gedruckter Form betrachtet – und abgelehnt – haben.
Und so wie eine Form der Alphabetisierung eine andere ersetzen kann, zum Beispiel, wie digitales Messaging die Fähigkeit zu ersetzen scheint, sich lange genug zu konzentrieren, um einen Roman zu lesen, kann vielleicht die Fähigkeit, sich auf ein Gemälde einzulassen, zu lesen, zu interpretieren und "die Punkte zu verbinden" im digitalen Zeitalter komprimiert werden. Die Antwort? Schau dir weiter Originale an.

Biografie

Links

open positions