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(Lorenz Bachofner Boskovic und Vincent Scarth) Boskovic-Scarth: Pistolen (Järlåsa)

Herstellungsjahr: 2020

Technik: Acryl, Kohle und Wachspastell auf Papier

Das Künstlerduo Boskovic-Scarth malt Bildergeschichten. Im Werk «Pistolen» erzählen sie von einer Reise nach Järlåsa, einer Gemeinde in Schweden irgendwo bei Uppsala, einer ziemlich ländlichen Gegend, wo die beiden einige Zeit verbrachten.
«Wir waren im Februar 2020 dort und besuchten eine Schulfreundin von Lorenz, die vor ein paar Jahren ausgewandert war. Sie arbeitet in Schweden als Flechtenexpertin und lebt in diesem Haus in einer WG, die sich zu einem grossen Teil selbstversorgt. Wir waren während einer Woche eingeladen, da zu sein und zu malen. Wir richteten uns im Wohnzimmer ein und malten zwei Bilder, darunter das Werk ‹Pistolen›. Das Land, auf dem das Haus stand, gehörte einem Grossbauer, der – so wurde uns erzählt und so nahmen wir es war – grob mit den Sachen, also den Menschen, dem Land, den Kühen und dem Material umging: Überall türmte sich Abfall, er ging schroff mit den WG-Bewohnenden um, ein Teil seines Gebietes war ein eingezäunter Bereich, in dem er Wölfe, Hunde und alles dazwischen hielt, und es kann gut sein, dass auch der See wegen seiner Art der Bewirtschaftung stank und die Fische deswegen ungeniessbar waren.
Auf jeden Fall schien es uns plausibel, dass an diesem Ort ein obskurer Waffenhändler auftauchen und ein paar Pistolen anbieten könnte. Diese Fantasie nährte sich auch durch die Podcasts über schwedische Verbrechen, die wir während dem Malen hörten, durch die kurzen Tage und langen Nächte (...) und durch unser Erstaunen darüber, dass Lorenz’ Schulfreundin gerade daran war, das Jagdpatent zu machen. Direkt inspiriert ist unser Waffenhändler von einer Szene aus dem Film «Taxi Driver» von Martin Scorsese. Der Protagonist Travis möchte eine Waffe kaufen und trifft dafür einen dubiosen Händler in einem Hotelzimmer. Diese Filmszene hatten wir schon lange vor unserer Reise als möglichen Inhalt für eine Malerei im Kopf. Und hier, wo wir nun waren, schien sie hin zu passen.»
Im Bild finden sich also Reiseeindrücke, Erinnerungen an Filmepisoden und Zitate aus der Kunst­geschichte zu einem wilden Mix zusammen. Die schwedische Landschaft im Fensterausschnitt, die abgewandelte Reproduktion des Bildes «Mädchen auf der Brücke» von Edvard Munch sowie die Jagdtrophäe an der Wand stellen die Verbindung zum Ort des Geschehens her, während die Pistolen auf dem Tisch auf den Waffenhandel in «Taxi Driver» verweisen.
Von den Koffern voller Pistolen im Film sind bei Boskovic-Scarth nur zwei Colts übriggeblieben. Der eine ist sorgfältig ausgearbeitet, der andere mehr ein fliessender Klecks, was automatisch die Frage aufwirft, wie denn Objekte bildnerisch adäquat dargestellt werden können. In ihrem Bild handeln Boskovic-Scarth diese Frage in der Inszenierung des halbdurchsichtigen Tuchs in den Händen der Frau, dem Faltenspiel auf dem Tischtuch und des zeichenhaften Scheins der Lampe auf dem Tisch ab. Sie führen modellhaft mehrere Möglichkeiten scheinhafter Wirklichkeiten vor. Mit der unnatürlich roten Hautfarbe der Frau, ihren leeren Augen oder der grob gezeichneten Nase demonstrieren sie dagegen, dass nicht nur genaue Abbildlichkeit, sondern auch signalhafte übersteigerte Deutlichkeit Mittel der Malerei sein können.
Die unterschiedliche Malweise der beiden Pistolen dokumentiert zudem, dass an diesem Bild zwei Personen arbeiteten. Die offensichtlichen Unterschiede machen deutlich, dass gemeinsames Arbeiten nicht auf die Produktion eines bruchlosen, in sich stimmigen Meisterwerks zielt. Das kooperative Vorgehen ist mehr der Neugier geschuldet, welche Bilder überhaupt entstehen können, wenn in freier Assoziation und ungebundenem Improvisieren eine gemeinsame Geschichte erzählt werden soll.

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