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(Georg Rutishauser / Matthias Kuhn) Rutishauser/Kuhn: Inhalt und Form (ID 5 bis 28)

28. November 1997 – 31. Dezember 1998

wir befassen uns mit der SPRACHE als rohmaterial, mit ihrer statistischen und maschinellen verarbeitung. unser interesse gilt der MANIPULATION.

Die inhaltliche Komponente der Sprache, die im Normalgebrauch den Hauptzweck des Sprechens oder des Schreibens bildet, drängen Georg Rutishauser und Matthias Kuhn in den Hintergrund, zugunsten einer ästhetisch bestimmten Arbeit mit den Elementen ihres Funktionierens: den Buchstaben und ihren Formen, den Worten, den Textblöcken oder dem Klang der Silben, der Worte, der Sätze.

wir stellen TEXT her. wir bewegen uns in, nicht über der SPRACHE. wir urteilen nicht über die Wörter, wir stellen sie dar. primär interessiert uns nicht die deutung der sprache, sondern die WAHRNEHMUNG. uns interessiert die struktur der sprache, erst dann ihre idee.


In der Arbeit ID 16 Manifest - alphabetisch sortiert werden fünf Manifesttexte über das Zusammenwirken von Text und Wahrnehmung in die einzelnen Worte zerlegt. Die Worte werden alphabetisch sortiert und wie in einem Lexikon zu Wortlisten aufgereiht. Es entsteht eine Art Wörterbuch, in dem an der Wand des Ausstellungsraums das Textmaterial ausgebreitet, überblickbar gemacht und damit einem anderen Verständnis zugeführt wird. Vergleichbar gehen Rutishauser/Kuhn in der Arbeit ID 12 Spracharchive vor. Sechs Texte verschiedener Autorinnen und Autoren werden Wort für Wort zerlegt und alphabetisch neu geordnet in Zettelkästen abgelegt. Jeder Text bleibt zwar rekonstruierbar, zeigt sich aber vor allem als Materialpotential, das beliebig viele neue Textordnungen enthält.

uns interessiert die sprache als SYSTEM von zeichen, begriffen und regeln und als grundlage für die KOMMUNIKATION. dabei interessiert uns nicht die übermittlung und verständigung, sondern der instrumentale charakter der sprache.


In neueren Arbeiten weiten Rutishauser/Kuhn ihre Auseinandersetzung mit den Ordnungsgesetzen der Schriftsprache auf die akustische Sprachebene aus. In ID 21 Polyglottè werden fünf verschiedene Texte aus fünf Lautsprechern verlesen. Im Raum entsteht ein vielfältiges Stimmengewirr und nur wer sich einem einzelnen Lautsprecher nähert, nur wer seine Aufmerksamkeit auf einen einzelnen Text konzentriert, kann diesem folgen. Auf der Wand steht der Begriff KONTEXTRAKTION. Dieses Kunstwort aus Kontext und Extraktion verweist auf das grundsätzliche Dilemma jedes Verstehens dieser Arbeit: Es ist nicht möglich, sie gleichzeitig in ihrer Vollständigkeit und im Detail zu verstehen. Wer sich auf einen einzelnen Text konzentriert, kann diesen zwar verstehen, enthält aber nur ein Extrakt aus dem Ganzen. Wer wiederum die Klangerscheinung der Arbeit - den Kontext jedes Einzeltextes - aufnimmt, dem entgeht zwangsläufig der Inhalt des einzelnen Textes. Jedes Lesen erzwingt eine Entscheidung zwischen Kontext und Extrakt.

wir sprechen und schreiben von nichts anderem als von unserer eigenen VISUALALIE, von der unfähigkeit, die sprache visuell und akustisch wahrzunehmen, ohne sie zu interpretieren.

In der Ausstellung im Kunstmuseum des Kantons Thurgau zeigen Rutishauser/Kuhn unter dem Titel Inhalt und Form (ID 5 bis 28)È Materialien ihrer Arbeiten seit 1990 in einer neuen Zusammenstellung. Text-, Schrift-, und Präsentationsmaterialien von rund zwei Dutzend Einzelarbeiten werden zu einer neuen Installation verdichtet, in der sie mit dem Material ihrer eigenen Arbeiten vergleichbar umgehen wie mit dem Sprachmaterial. Die in früheren Ausstellungen verwendeten Buchstabentafeln, Wörtersammlungen, Texte, Lautsprecher und Monitore sind in einem Ausstellungsraum des Kunstmuseums zu einem Archiv zusammengestellt, das alle einzelnen Arbeiten enthält und gleichzeitig eine neue Arbeit bildet. Je nach Fokussierung wird die Struktur der Sprache, die Möglichkeiten ihrer Erscheinung oder die Interaktion zwischen der Sprache, der Form ihrer Erscheinung und ihrer Wahrnehmung durch Rezipientinnen und Rezipienten zum Thema.

was uns interessiert sind die verschiedenen STANDPUNKTE zu bestimmten themen. aus diesem grund suchen wir den DIALOG. uns interessiert der austausch: die DEBATTE, nicht der konsens.

Die Publikation zur Ausstellung ist im Shop erhältlich.

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