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Adolf Dietrich: Fotografien

19. August 2007 – 16. Dezember 2007

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Adolf Dietrich: Blick aus seinem Fenster auf den Nachbarsgarten, nach 1940 @Thurgauische Kunstgesellschaft
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Adolf Dietrich mit Fanny Arnold @ Thurgauische Kunstgesellschaft

Unveröffentlichte Schätze aus dem Nachlass des Malers

Der Berlinger Künstler Adolf Dietrich hat im Lauf seines Lebens nicht nur über tausend Ölbilder geschaffen, sondern auch zahlreiche Zeichnungen und Skizzen. Dass er daneben auch leidenschaftlich gerne fotografierte, blieb lange Zeit unbeachtet. Das Kunstmuseum Thurgau hebt nun den bis anhin verborgen gebliebenen Bilderschatz. Die bisher im Archiv gelagerten Fotografien des Thurgauer Malers werden in der Ausstellung „Adolf Dietrich. Fotografien“ und enem umfassenden Fotobildband erstmals umfassend der Öffentlichkeit präsentiert.
Dietrich begann 1927 zu fotografieren und widmete sich mit der Kamera weitgehend denselben Motiven, die auch sein malerisches Werk prägen: die Landschaft um Berlingen, der Blick auf den See mit den Hügeln der Höri im Hintergrund, der Steg hinter seinem Haus, der Quai mit Ufer und die heimatlichen Hügel mit Juhe, Funkenplatz und Schienerberg. Der Maler betätigte sich aber nicht nur als poetischer Landschaftsfotograf. Sein fotografischer Nachlass ist auch eine Fundgrube für sozialhistorische Dokumente eines Lebens im ländlichen Thurgau. Dietrichs Fotografien aus seinem Umfeld - von der „Berlinger Chilbi“ bis zur Feuerwehrübung, oder Bilder aus dem Alltag der Bauern, Handwerker und Fischer des Dorfes - geben Einblicke in eine längst verschwundene Welt. Besonders erstaunlich und ergreifend ist eine Porträtserie von Menschen, die Dietrich auf seinem Steg oder auf der Strasse posieren lässt. Diese Aufnahmen erzählen vom Leben in der Dorfgemeinschaft und lassen den Künstler als offenen und höchst sozialen Bildermacher in Erscheinung treten.
Die Ausstellung gibt einen umfassenden Einblick in Adolf Dietrichs Bilderwelt. Die Verwendung der Fotografie brachte dem Maler einen grossen Mehrwert und führte zu einem grösseren Bilderreichtum in seinem Oeuvre. In der Ausstellung kann dies im direkten Vergleich zwischen Hauptwerken aus dem Oeuvre des Künstlers und den fotografischen Vorlagen aus dem Nachlass studiert werden.
Ausstellung und Publikation heben nicht nur einen lange verborgenen Schatz ans Licht der Öffentlichkeit. Das Sichtbarmachen der Fotografien des Künstlers werden den Blick auf sein Werk verändern und ebenso werden die Fotografien, die bis anhin lediglich den Status von Archivalien hatten, anschaubar und Teil einer Auseinandersetzung über die Fotografie. Die Offenlegung des Fotonachlasses dient aber vor allem dem Zweck, die aussergewöhnliche Imaginationskraft des Malers, die sich in seinem fotografischen Agieren ebenso zeigt wie in seinen Ölbildern, sichtbar zu machen.

Das Projekt „Adolf Dietrich. Fotografien“ ist das Ergebnis einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen der Thurgauischen Kunstgesellschaft, in deren Besitz Adolf Dietrichs Nachlass ist, und dem Kunstmuseum Thurgau, das die Werke und Dokumente inventarisiert und wissenschaftlich untersucht. Seit über zehn Jahren erfolgen Bewahrung und Nutzung des Nachlasses in enger Zusammenarbeit der beiden Institutionen.

Der fotografische Nachlass von Adolf Dietrich. Zahlen und Fakten.

Der fotografische Nachlass von Adolf Dietrich wurde ab Januar 2006 umfassend inventarisiert und dokumentiert. Die Sichtung der Fotoschachteln ergab, dass der Nachlass des Künstlers insgesamt 3433 Negative und 3371 Positive umfasst. 2544 Abzüge konnten den entsprechenden Negativen zugeordnet werden. Zu rund 800 Abzügen existieren keine Negative. Bei diesen Fotos handelt es sich in den meisten Fällen um Aufnahmen, die nicht vom Künstler selbst stammen. Gleichzeitig liegen von 890 Negativen keine Abzüge vor, was nicht weiter überrascht, da der Künstler mit seinen Abzügen nachlässig umging und seinen Kunden zuweilen auch Fotografien zusandte, damit diese ihr gewünschtes Motiv auswählen konnten.
Bei einigen Dutzend Negativen ist es, obwohl sie zusammen mit den anderen aufbewahrt wurden, unwahrscheinlich, dass die Bilder von Dietrich selbst stammen. Da gibt es beispielsweise einen Filmstreifen, der noch vor oder während des Zweiten Weltkriegs belichtet wurde und der aus dem übrigen Konglomerat heraussticht, da es sich um einen Kleinbildfilm handelt. Dietrich hat nie eine solche Kamera besessen. Von rätselhafter Herkunft sind auch Fotografien und Negative, die während einer Reise in den Orient aufgenommen worden sein müssen. Mitglieder einer Reisegruppe sind in Venedig auf dem Markusplatz zu sehen, dann wieder auf der Akropolis in Athen und weitere Ansichten stammen aus Istanbul. Es ist nicht geklärt, wie diese Bilder in den Nachlass gelangten, denn Dietrich selber hat nie eine Reise in den Orient unternommen.
Im Lauf der Inventarisation konnten viele offene Fragen geklärt werden. So ist heute bekannt, dass Adolf Dietrich mit einer Kamera der Marke „Voigtländer“ fotografierte, die im Nachlass erhalten und noch immer funktionstüchtig ist. Es handelt sich dabei um eine Mittelformatkamera, die mit den damals weit verbreiteten Rollfilmen im Format 6 x 9 cm bestückt werden konnte. Der Maler erhielt die Kamera noch vor dem Zweiten Weltkrieg von Eugen Hepp, der in Konstanz ein Optikergeschäft führte.
Aus dem Briefwechsel von Adolf Dietrich mit seinem Neffen Heinrich lässt sich schliessen, dass Dietrich im Jahre 1927 seinen ersten Film belichtete. Diesen schickte er zum Entwickeln und Vergrössern seinem Neffen. Heinrich, der selber fotografierte, sandte die Abzüge mit guten Ratschlägen an seinen Onkel zurück: „Ich habe nun den 1. Film gemacht. Du hättest alle Aufnahmen ein bisschen länger belichten dürfen. Du musst Dir jetzt die Helligkeit und auch die Belichtungszeit etwas merken, auch bei was für einer Öffnung es gemacht ist. Öffnung heisst, bei was für einer Blende der Skala unten. Die höchste Zahl heisst die kleinste Blende, die niederste die grösste. Bei grösster Blende braucht man am wenigsten lang belichten, und bei kleinster am längsten. [...] Wenn [Du] in der Stube mal was aufnehmen willst, musst 8-10 Sek. belichten, oder noch länger. Der Film ist heute angekommen. Nächstes Mal musst [Du] ihn auch frankieren, sonst muss ich immer 20 Rappen Strafe zahlen. Wenn Du so von ferne Berlingen machst, wie [Du] es gemacht hast, kannst [Du]`s auch in Querformat machen. [Dann] muss man nur den Sucher umklappen und den Apparat quer halten. [...] Das Weisse am Rand kommt daher, weil in den Film Licht gekommen ist. Er ist mir nämlich aufgegangen. Du musst immer aufpassen, dass er Dir nicht aufgeht. Kaufst Dir am besten ein Röllelein Klebpapier. [...] Studiere auch das Buch, wo [Du] vom Albert hast „Was viele Photographen nicht wissen“ [...] .“
(Brief im Nachlass Dietrich im Kunstmuseum Thurgau)
Heinrichs Ratschläge an seinen Onkel sind Anfängertipps und somit ist anzunehmen, dass der Beginn der fotografischen Tätigkeit Dietrichs auf 1927 zurück geht. Von da an fotografiert er leidenschaftlich und experimentierfreudig, auch bei schlechter Witterung. In den Briefen von Heinrich finden sich so auch später noch verschiedentlich Hinweise, wie es denn besser zu machen wäre.
Später schickt Adolf Dietrich die Filme an Fotohandlungen und Drogerien, die diesen Dienst anboten, zur Bearbeitung. Die insgesamt knapp 250 Fototaschen, in denen die Negative und Positive aufbewahrt wurden, erweisen sich als wichtiges Quellenmaterial. Dietrich hat seine Filme in 23 verschiedenen Fotolabors entwickeln lassen. Wichtigste Labors waren die Drogerie Hartmann in Steckborn und das Fotogeschäft der Gebrüder Hepp in Konstanz.
Seine letzten Filme liess Dietrich im Jahr 1956 oder 1957 entwickeln. Auf einigen Bildern ist der Abbruch des Restaurants Seehus in Berlingen festgehalten, das in den oben erwähnten Jahren abgerissen wurde. Dietrich hat also ab 1927 während über 25 Jahren regelmässig fotografiert.
Durch sorgfältige Sichtung der Fotografien und Dokumente, ergänzt durch eine 2006 durchgeführte Befragung von zahlreichen Personen, die Berlingen oder Dietrich kennen, konnten viele Fotografien annähernd oder in Ausnahmefällen gar auf den Tag genau datiert werden. Ebenso liess sich wenigstens teilweise eruieren, wer auf den Gruppenbildern und Porträts zu sehen ist. Diese Erkenntnisse werden in Ausstellung und Buch vorgelegt.

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