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Konstellation 4

12. Januar 2012 – 22. April 2012

Haffter
Haffter Martha, Akt
Herzog_MG_1_9124
August Herzog: Anatomische Studie, 1907, Bleistift auf Papier
Roesch_02c
Carl Roesch: Werbepostkarte mit Till Eulenspiegelmotiv, um 1900
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Robert Wehrlin: Studie zu "La mort de l ami", um 1939, Tusche und Bleistift auf Papier
Wehrlin_MG_9092
Robert Wehrlin: Studie zu "La mort de l ami", um 1939, Tusche und Bleistift auf Papier

Vom Können in der Kunst

Die Vorstellungen von Kunst und Handwerk berühren sich an verschiedenen Stellen. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war das handwerkliche Beherrschen der technischen Mitteln der Malerei und der Bildhauerei unabdingbare Voraussetzung für eine erfolgreiche künstlerische Karriere. Das genaue Hinsehen und die realitätsnahe Wiedergabe der Wirklichkeit wurden in den Akademien bis zum Überdruss geübt. Der Körper in seiner Vielfalt an Positionen, das Gesicht mit seinen zahllosen Ausdrucksvariationen aber auch die Präsenz einfacher Objekte in Licht und Raum wurden so lange immer wieder gezeichnet, bis das Gesehene mit schlafwandlerischer Sicherheit wiedergegeben werden konnte.

In der Sammlung des Kunstmuseums Thurgau finden sich erstaunliche Zeugnisse dieses praktischen Lernens mit dem Stift. Von Adolf Dietrich hat sich eine Reihe von frühen Zeichnungen erhalten, die der Schüler auf Anweisung seines Volksschullehrers erstellte, um seine zeichnerischen Fähigkeiten zu schulen. Vom Ermatinger Maler August Herzog oder von der Frauenfelderin Martha Haffter gibt es eine Vielzahl akademischer Studien, die während den Aufenthalten an den Akademien von München und Paris entstanden sind. Diese Zeichnungen von nackten Männern und Frauen bilden gleichsam den unsichtbaren Grundstock des Schaffens dieser Künstler, die im Thurgau vor allem durch ihre spätimpressionistischen Landschaften oder aber durch idyllische Genreszenen bekannt geworden sind. Die hunderten von Zeichnungen bildeten die handwerkliche Basis für die künstlerische Arbeit der Maler.

Ganz handfest wird die Kunst da, wo Künstlerinnen und Künstler ihre Fähigkeiten nutzen, um ausserhalb oder am Rande ihrer Kunst ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ernst Emil Schlatter und Carl Roesch verdienten gutes Geld mit der Gestaltung von Plakaten oder Postkarten. Sie finanzierten ihre Ausbildung und ihren Karrierestart, indem sie ihre handwerklichen Fähigkeiten als Bildermacher in den Dienst der Werbung oder der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen stellten. Auch Ernst Kreidolf produzierte während seiner Akademiejahre in München Steckbriefe nach Fotovorlagen, damit er überhaupt etwas zu essen hatte.

Dass das „Handwerk des Künstlers“ auch ganz anders verstanden werden kann, wird in der Ausstellung anhand einer aussergewöhnlichen Werkgruppe von Robert Wehrlin aufgezeigt. Für die Herstellung des Bildes „la mort de mon ami“ aus dem Jahre 1939 zeichnete der in Paris lebende Thurgauer dutzende von vorbereitenden Skizzen. Akribisch erprobte er mit Bleistift und Tinte die Möglichkeiten unterschiedlicher Bildanlagen. Später gestaltete er dann noch eine Serie von Lithografien mit dem gleichen Motiv. Anhand der Zeichnungen und grafischen Blättern kann modellhaft nachvollzogen werden, wie ein Künstler sein Motiv entwickelt und wie er es wie ein Handwerker weiterverarbeitet.