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(Muda Mathis und Sus Zwick) Mathis/Zwick: Paradies

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Muda Mathis / Sus Zwick: Das Paradies © Kunstmuseum Thurgau
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Muda Mathis / Sus Zwick: Das Paradies © Kunstmuseum Thurgau
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Muda Mathis/ Sus Zwick: Das Paradies © Kunstmuseum Thurgau

Herstellungsjahr: 2001

Technik: Video- und Lichtinstallation

Die Zelle ist ganz in Grün getaucht. An den Wänden wuchern Pflanzenformen raumhoch bis zum Dach und mitten in diesem grünen Dschungel leuchten geheimnisvoll einige Bildschirme, auf denen Adam und Eva durchs Paradies irren. Wie Ameisen im Gras bewegen wir uns in den Raum hinein, angezogen durch die Leuchtpunkte der Bildschirme und einen pyramidenförmigen Aufbau in dessen Mitte, der mit sanften Klängen zum Erklettern lockt. Wir steigen hinauf und blicken hinab in einen tiefen Videobrunnen, wo das Wasser tropft und geheimnisvolle Wesen ihr Unwesen treiben. Wässeriges und Vegetatives zuckt und juckt rhythmisch. Kleine Dämonen schweben jammernd durch den virtuellen Wasserraum und ein riesiges Lippenwesen ruft verführerische Klagen aus den Tiefen. Märchenhaftes und Mythisches verbinden sich im Klanggebilde zu einem ganzheitlichen Erlebnis.
Das „Paradies” von Muda Mathis und Sus Zwick ist eine heimtückische Arbeit. Die berückende Lichtstimmung des Raumes und die lockenden Klänge aus den Tiefen des Brunnens versprechen die Existenz eines Paradieses. Dieses aber erweist sich bei genauerem Hinschauen als eine verkehrte Welt. Adam und Eva sind nicht das idyllische Urpaar, sondern zwei Frauen, die mit Schnauz und Perücke verkleidet das Ideal des biblischen Paares mehr karikieren als versinnbildlichen. Vor dem Hintergrund aus riesigen Gräsern posieren die Künstlerinnen in verschiedenen Stellungen: Sie üben, ein Paar zu sein, sehen aus wie kleine Elfen in einer übergrossen Natur. Ihr Posieren erinnert an Miniaturen der Renaissance ebenso wie an die Nacktkultur des Monte Verità, an die Verrenkungen im Kamasutra ebenso wie an die gestellte Sinnlichkeit in erotischen Fotografien des 19. Jahrhunderts. Und auch der Brunnen ist mehr Zauberspiegel denn Idylle, ein Ort wo Schönes übergangslos von Erschreckendem abgelöst wird.
Mit ihrer Installation beziehen sich Muda Mathis und Sus Zwick auf einen biblischen Stoff und reihen ihre Arbeit ein in eine lange Darstellungstradition. Ihre Auseinandersetzung mit dem Thema ist allerdings eine Art Befreiungsarbeit, in der alle Mittel erlaubt sind. Um ihre eigenen Bilder zu finden, wildern die Künstlerinnen unerschrocken in allen Revieren, plündern Kinderverse, Werbesprache und Märchenerzählungen mit gleicher Leichtigkeit wie Bilder aus dem privaten Umfeld. Ironie und Kitsch dienen ihnen als Überlebensstrategie im Dschungel massenmedial produzierter Bildwelten. Diese Strategie zielt letztlich auf die Rückeroberung der grossen Gefühle aus den Klauen der Medienindustrie. Die durch das Kunstwerk erzeugte Irritation lässt das Publikum nach seinen eigenen Bildern und Werten fragen. In der Betrachtung des Paradieses von Muda Mathis und Sus Zwick kann dieser Prozess aber durchaus auch vergnüglich sein.

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