Direkt zum Inhalt springen

Christine und Irene Hohenbüchler: Flieg, Vogel, flieg...

Herstellungsjahr: 2014

Technik: Holz, Weidenruten

Von April 2019 bis November 2022 standen vor und hinter dem Kunstmuseum Thurgau in lockerer Formation acht Holzhütten. Sie machten als Resultat eines mehrteiligen Projekts des Künstlerduos Christine und Irene Hohenbüchler in der Kartause Ittingen halt.
Entstanden ist das Hüttendorf 2014 ursprünglich für ein Feld in einem Aussenquartier von Duisburg. Die acht Objekte – halb Skulptur, halb Architektur – skizzieren im weitesten Sinne, was ein "Haus" sein kann und damit verbunden, was "Heimat" oder das "zu Hause" bedeuten könnte. Die ebenso edlen wie fragilen architektonischen Skulpturen zitieren Formen aus unterschiedlichen Lebensbereichen. Sie können als "Wanderhütten", "Pavillon" oder "Taubenhaus" bezeichnet werden.
Am Projekt beteiligt waren unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen, etwa ein Verein von Brieftaubenzüchtern oder eine Roma-Theatergruppe, wodurch dem Hüttendorf die Thematik des Reisens, des Ausfliegens und Zurückkommens eingeschrieben wurde. Auf diesen Theaterkontext verweisen die Masken, die in den Häusern drapiert sind. Während zwei Jahren stand das Hüttendorf dann in der Zürcher Schule Buhnrain, wo Schülerinnen und Schüler in Zusammenarbeit mit dem Jungen Literaturlabor JULL eigene Texte zum Thema "… unterwegs … zuhause …" entwickelten und auf die Hütten applizierten.
Die Hütten sind also mehr als "schöne Objekte". Es sind vielmehr Kristallisationspunkte von aktiven Auseinandersetzungen mit dem Thema Unterwegssein in einer Migrationsgesellschaft. Auch im Verlauf des Aufenthalts in der Kartause Ittingen sind die Hütten Ausgangspunkt für eine Konfrontation mit den Themen Wanderschaft oder Heimat. So wurden in Zusammenarbeit mit Dorothea Hugentobler vom Frauenfelder Amt für Gesellschaft und Integration im Frühjahr 2020 mehrere Workshops organisiert, in denen über ein Dutzend Frauen aus unterschiedlichsten Ländern neue Bewohner für die Taubenhäuser fertigten. Entstanden sind farbenprächtige Paradiesvögel, die im Rahmen der "Langen Nacht der Bodenseegärten" am 5. September 2020 in einer stimmungsvollen Prozession in die Wanderhütten ausgesiedelt wurden. Die Vögel und Masken in den Hütten verweisen so auf die Möglichkeiten der kreativen Gestaltung einer selbstbestimmten Vorstellung von Heimat und Identität.
Christine und Irene Hohenbüchler sind spätestens seit ihrer Teilnahme an der "documenta 10" (1997) international bekannt für ihre meist in Kooperation mit ausgewählten gesellschaftlichen Gruppen (z.B. Strafgefangenen oder psychisch Kranken) konzipierten und oftmals temporär angelegten Kunstprojekte. Der kommunikative Prozess, der zur später ausgestellten Arbeit führt, ist in der Kunst der beiden Schwestern mindestens genauso wichtig wie die letztendliche Präsentation.
Christine und Irene Hohenbüchler sind im Thurgau keine Unbekannten. Im Kunstmuseum Thurgau realisierte das Künstlerduo bereits 2003 in Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung Kartause Ittingen das Projekt "Wilde Gärten", von dem heute noch im Nordhof eine Bepflanzung in Form eines Panthers Zeugnis ablegt.
 

Biografie