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Johannes Gees: Salat

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Johannes Gees: Salat, 2008. Installation in der Ausstellung Konstellation 6 im Kunstmuseum Thurgau. Foto: Mirjam Wanner.

Herstellungsjahr: 2008

Technik: Klangobjekt

Die Installation „Salat“ besteht aus einem Doppellautsprecher, der an einem Stahlseil in der Mitte des Zimmers von der Decke hängt und um sich selber rotiert. Dabei erklingt aus dem einen Lautsprecher der Gebetsruf eines Muezzins, aufgenommen in der Hauptmoschee in Mekka. Aus dem anderen Lautsprecher ruft ein Innerschweizer Senn den Alpsegen in den Raum. Islam und Christentum treten in diesen klanglich so ähnlichen Rufen zum Wettbewerb an.
Das Objekt ist eine an den Museumsraum adaptierte Version eines Doppellautsprechers, die Johannes Gees in einer Guerillaaktion auf Kirchtürmen in der Schweiz aber auch im Oberalpsteingebirge aus-gesetzt hatte. Die mit Batterien ausgestatteten Klanginstallationen überraschten die Passanten auf den Kirchplätzen mit dem Wettbewerb der Religionen.
An der Wand hinter der Lautsprecherinstallation hängen fünf Fotokopien der Einstellungsverfügung vom 11.1.2008 im Fall gegen Johannes Gees, dessen Aktion als „Störung des Religionsfriedens“ gemäss Artikel 265 ZGB und als „Ruhestörung“ eingeklagt wurde. Die Verfügung beschreibt die Motive des Künstlers und erörtert detailliert, inwiefern die Aktion die beiden Anklagepunkte eben nicht erfüllt. Wichtig in der Begründung ist, dass die Freiheit der Meinungsäusserung in einer künstlerischen Arbeit höher zu gewichten ist als die Störung des Religionsfriedens, die in diesem speziellen Fall nicht tangiert sei.
Durch den Ankauf des Werks für eine Kunstsammlung verschiebt sich die Wirkungsweise der Arbeit. Es wandelt sich von einem provokativen künstlerischen Akt im öffentlichen Raum in einen Eingriff im Museum und thematisiert somit den Ort, die Institution und deren Beziehungen zum Religiösen. Natürlich hat das Einbringen des Gebetsrufs eines Muezzins im Gebetsraum einer ehemaligen Mönchsklause noch immer etwas Provokatives. Wer aber genau hinhört, merkt schnell, dass hier nicht nur ein islamischer Gebetsruf sondern eben auch ein appenzellischer Alpsegen eingespielt wird. Die klangliche Ähnlichkeit der beiden Gesänge relativiert die vermeintliche Provokation und es stellen sich andere Fragen wie: Verfolgen nicht Islam und Christentum mit durchaus vergleichbaren Ausdrucksmitteln ganz ähnliche Ziele? Warum erfahren wir den Gebetsruf des Imams als Provokation, während der Alpsegen des Appenzeller Hirten höchstens als etwas exzentrisches Volkstum eingestuft wird?

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