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Olaf Nicolai: o.T. (Atem), aus der Serie "Double Shift"

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Olaf Nicolai: o.T. (Atem), 2009 in der Ausstellung "Mirador". Fotografie Stefan Rohner
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Olaf Nicolai: o.T. (Atem), 2009 in der Ausstellung "Mirador". Fotografie Stefan Rohner
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Olaf Nicolai: o.T. (Atem), 2009 in der Ausstellung "Mirador". Fotografie Stefan Rohner
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Olaf Nicolai: o.T. (Atem), 2009 in der Ausstellung "Mirador". Fotografie Stefan Rohner

Herstellungsjahr: 2009

Technik: Inkjetprint und C-Print

Masse: 4 Exemplare je 33 x 26 cm, 3 Exemplare je 49.5 x 36 cm

Bei der nicht betitelten Serie von Werken auf Papier handelt es sich um Fotografien von Aquarellen, bei denen Olaf Nicolai die fliessende Farbe anhauchte, anblies oder gar anhustete, das sich auf der Oberfläche unterschiedliche Muster bildeten. Diese fotografisch reproduzierten Hauchbilder thematisieren nicht nur das Verhältnis von Original und Reproduktion, sondern auch die Vorstellung vom Individuum als atmendem Wesen.

Im Kontext von Kunst und Geschichte eröffnet die Aktion von Olaf Nicolai mehrere Interpretationsmöglichkeiten: Der Hauch gilt seit dem Mittelalter als Träger der Seele und damit der individuellen Persönlichkeit. Auf spätmittelalterlichen Bildern ist zu sehen, wie mit dem letzten Hauch die Person den Körper verlässt. Die Hauchbilder können also durchaus als eine Art Selbstporträts des Künstlers interpretiert werden, auch wenn die Bilder eher ungegenständlichen, abstrakten Bildfindungen gleichen und wenig an konventionelle Porträts erinnern. Der Künstler haucht, atmet, hustet, spuckt den Farbflächen gleichsam die Spuren seiner Persönlichkeit auf.

Diese Irritation von Darstellungskonventionen verdoppelt der Künstler dadurch, dass er nicht die Originalaquarelle zeigt, sondern deren fotografische Reproduktionen. Aquarell und Zeichnung gelten in der Kunst als Medien, die durch die Schnelligkeit und Direktheit ihrer Realisation eine besondere Unmittelbarkeit des Bildes erzeugen. In Aquarell und Zeichnung wird gemäss allgemeinem Verständnis die Persönlichkeit des Künstlers die Persönlichkeit des Künstlers direkter fassbar als in der aufwendigeren Ölmalerei.

Olaf Nicolai bricht nun ganz bewusst die Unmittelbarkeit des Aquarells dadurch, dass er nicht die Originale als Kunstwerk definiert, sondern deren fotografischen Reproduktionen. Er thematisiert damit die Frage nach Original und Originalität des künstlerischen Schaffens und kehrt das Verdikt von Walter Benjamin um, der vor fast hundert Jahren postuliert hatte, dass die Fotografie die Aura des Kunstwerks zerstöre. Bei Olaf Nicolai wird die Fotografie zum auratischen Kunstwerk, während die Vorlage – das vermeintliche Original – nicht mehr als Werk in Erscheinung tritt.

Im übertragenen Sinn enthält dieses Vorgehen auch einen Kommentar zum Themenkreis der Einzigartigkeit des Individuums. Als Fotografien sind die Bilder reproduzierbar und sie erscheinen auch als Edition auf dem Markt. Stellt sich da nicht die Frage, ob nicht auch Personen und Persönlichkeiten reproduzierbar sind?

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