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Lisa Schiess: Pinselfahrten

Lisa Schiess, „Pinselfahrten“, Zeichnungsserie, 2007/15, je 29 x 42 cm, Kunstmuseum Thurgau
Lisa Schiess, „Pinselfahrten“, Zeichnungsserie, 2007/15, je 29 x 42 cm, Kunstmuseum Thurgau
Lisa Schiess, „Pinselfahrten“, Zeichnungsserie, 2007/15, je 29 x 42 cm, Kunstmuseum Thurgau
Lisa Schiess, „Pinselfahrten“, Zeichnungsserie, 2007/15, je 29 x 42 cm, Kunstmuseum Thurgau

Herstellungsjahr: 2007/15

Technik: Acrylfarbe auf Papier

Masse: je 29 x 42 cm

Die künstlerische Haltung von Lisa Schiess ist geprägt durch den Aufbruch der Kunst in den 1960er- und 70er-Jahren. Das im Umfeld von Fluxus und Konzeptkunst neu entdeckte Potenzial des Spielerischen und die damals gepflegte, radikale Befragung der Ausdrucksmittel bilden die Grundlagen ihres Arbeitens. Ausgehend von dadaistischen Sprachspielereien und der Infragestellung von gesellschaftlichen Wertemustern, untersucht die Künstlerin in ihren Werken die Zwänge der Wahrnehmung und versucht, diese subversiv zu brechen.

In der Arbeit „Pinselfahrten“ malt Lisa Schiess mit asiatischen Spezialpinseln immer wieder neue und andere Schlangenlinien auf die Papiere. Dabei verwendet sie nicht Tusche, sondern schwarze Acrylfarbe, was nach traditionell handwerklichem Verständnis der Schönschreibung eine Ungeheuerlichkeit ist. Allerdings lassen sich durch diesen Regelbruch räumliche Effekte erzeugen, was der Künstlerin mehr Ausdrucksmöglichkeiten eröffnet. Die Abgrenzung zur traditionellen Kalligrafie ist der Künstlerin wichtig. Sie meint: "Bei meinen Pinselfahrten habe ich nicht ans Schönschreiben oder asiatische Kalligrafie gedacht. Es geht mir bei dieser Arbeit um die freie Fahrt des Pinsels - im Sinne einer Meditation - ohne asiatische Exotik!"

Lisa Schiess versteht die fortgesetzte Zeichenübung mit dem Pinsel nicht als Instrument zur Erreichung eines perfekten Zeichens. Sie nutzt das Malen der freien Linien vielmehr als ein Ort des freien Ausdrucks und begibt sich dabei durchaus auch auf der Suche nach Sinnlichkeit, Harmonie und Schönheit. Bei dieser Suche beruft sie sich auf Friedrich Schiller, der im Text „Kallias oder über die Schönheit“ postuliert hatte: „Eine Schlangenlinie … ist darum die schönste, weil sie sinnlich vollkommen ist. Es ist eine Linie, die ihre Richtung immer abändert (Mannigfaltigkeit) und immer wieder zu derselben Richtung zurückkehrt (Einheit). … Die Natur liebt keinen Sprung. Sehen wir sie einen tun, so zeigt es, dass ihr Gewalt geschehen ist. Freiwillig hingegen erscheint nur diejenige Bewegung, an der man keinen bestimmten Punkt angeben kann, bei dem sie ihre Richtung abänderte. Und dies ist der Fall mit der Schlangenlinie, welche sich (von anderen Linien) bloss durch ihre Freiheit unterscheidet.“

Die Schlangenlinie ist also Ausdruck von Freiheit und Schönheit, die aber nur durch unablässige Übung erreicht werden können. Bei Lisa Schiess ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass sie diese Übungen mit einem ironischen Augenzwinkern absolviert und die fliessenden Schlangenlinien als fast pathetische Huldigung an die Sinnlosigkeit versteht, die die Kunst von der pragmatischen Zweckmässigkeit des Alltags abhebt und ihr in einer Welt der grassierenden Funktionalität ihre eigene Besonderheit verleiht.

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