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Helen Dahm: Der Fischzug

Helen Dahm, "Der Fischzug", 1947, Hinterglasbild, 70 x 78 cm, Kunstmuseum Thurgau

Herstellungsjahr: 1947

Technik: Hinterglasbild

Masse: 70 x 78 cm

Nach ihrer Rückkehr aus Indien 1939 setzt sich Helen Dahm vermehrt mit christlichen Bildwelten auseinander. In den nicht nur materiell schwierigen Kriegsjahren befreundet sie sich mit dem Oetwiler Gemeindepfarrer Georg Vischer und seiner Frau. Die beiden waren wichtige Gesprächspartner für die Künstlerin, die in der Folge intensiv an einer zeitgemässen Erneuerung christlicher Malerei zu arbeiten begann. Das Motiv des Fischzugs aus der Sammlung des Kunstmuseums Thurgau ist ein Beispiel für ihre Hinwendung zu christlichen Themen.

Mit Sicherheit kannte Helen Dahm den „wunderbaren Fischzug" des spätmittelalterlichen Malers Konrad Witz am Genfer Petrusaltar, von dem die Bildanlage angeregt sein könnte. Vom detailverliebten Realismus des Vorbilds ist in Helen Dahms Hinterglasmalerei allerdings nichts zu sehen. Ihre Fischer tragen blaue Arbeiterhosen, die Gesichter sind entindividualisiert, die Formen abstrahiert. Die dunkel gehaltene Szene lebt ganz von der expressiven Ausdruckskraft einer reduzierten Form- und Farbenwelt.

Die schwarzen Konturen erinnern an die Bleistege von Kirchenfenstern, die von den Künstlern der Avantgarde Ende des 19. Jahrhunderts als Stilelement neu entdeckt worden waren. Die dunklen Umrandungen erzeugen einen sakralen Unterton und lassen die Farben durch den Kontrast noch intensiver strahlen. Die Figur Jesu hebt Helen Dahm mit einer hellen Aura vom Dunkel der Landschaft ab und verleiht seinem Auftritt eine überirdisch leuchtende Kraft.

Die besondere Tiefe und Strahlkraft resultiert aus der Maltechnik: Für ihre christlichen Bildthemen bedient sich Helen Dahm häufig der Hinterglasmalerei. Sie hatte diese Technik vermutlich schon während ihrer Zeit in München kennengelernt. Die Künstler des Blauen Reiters schätzten die volkstümliche Hinterglasmalerei wegen ihrer naiven Ausdruckskraft sehr. Gabriele Münter und Wassily Kandinsky hatten gar eine eigene Sammlung von Glasbildern angelegt.

Helen Dahms Auseinandersetzung mit Hinterglasmalerei hat allerdings mit den kleinformatigen Bildwelten der Volkskunst wenig gemein. Sie verwendet die Hinterglasmalerei auf experimentelle Art und Weise mit dem Ziel, ihrer individuellen Interpretation des christlichen Glaubens einen intensiven Ausdruck zu verleihen.

Eine wichtige Impulsgeberin für die spirituellen Motive war Helen Dahms Freundin und Kunsthistorikerin Doris Wild. Sie publizierte 1946 das Buch „Ikonen. Kirchliche Kunst des Ostens". Durch Wilds Engagement erhält Helen Dahm 1954 den Kunstpreis der Stadt Zürich. 1956 folgt ein öffentlicher Auftrag: Die 79-jährige Künstlerin kann die Aussenwände der von Otto Zollinger erbauten Abdankungshalle auf dem Friedhof in Adliswil gestalten.

Biografie