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Jochen Gerz: Das Pult

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Jochen Gerz: Das Pult, 1980-1981

Herstellungsjahr: 1980

Herstellungsjahr 2: 1981

Technik: Metallgestell mit beschrifteter Plexiglasplatte

Masse: ca. H: 120, B: 80, T: 40 cm

Hinter dem Museum steht eine Tafel, wie ein Pult geformt, mit einem Text. Der Text auf der Tafel ist offensichtlich nichts anderes als eine Beschreibung der Tafel selbst. Allerdings bleibt der Text seltsam unbestimmt. Wenn wir im öffentlichen Raum einer Texttafel begegnen, dann erwarten wir doch, dass da etwas erklärt wird. Wir erwarten verbindliche Informationen, die uns helfen, uns zu orientieren oder die Welt besser zu verstehen.
Das Pult hinter dem Museum hintertreibt diese Erwartung auf listige Art und Weise. Der Text auf der Tafel macht nichts anderes, als auf die Tafel selbst zu verweisen. Eine Auskunft über den Sinn der Tafel wird nicht geliefert. Jeder Verweis, jeder Hinweis auf eine mögliche Funktion wird verweigert. Es wird nicht einmal gesagt, ob es sich hier um ein Kunstwerk handelt oder um das Gegenteil davon, was immer dies auch sei. Der Inhalt der Tafel ist sie selbst, wie im Gedicht von Gertrude Stein, die sagt: „A rose is a rose is a rose is a rose“.
Alles was wir tun können, ist zu vergleichen, ob die Tafel und deren Beschreibung übereinstimmen. Das Resultat dieses Vergleichs ist voraussehbar: Was wir sehen, ist immer etwas Anderes, als was wir als Beschreibung lesen. Im Vergleich zum Gesehenen ist ein Text immer sehr abstrakt. Sehen und Lesen sind unterschiedliche Formen der Wahrnehmung und des Denkens.
Und mit dieser Erkenntnis sind wir schon da, wo uns der Künstler haben will: Denn beim Pult handelt es sich – natürlich – um das Werk eines Künstlers, nämlich eines von Jochen Gerz. Und der Künstler will genau jene Irritation erzeugen, die uns dazu bringt, unsere Wahrnehmung zu überprüfen. Indem das Werk einen Kurzschluss zwischen der Realität und ihrer Beschreibung produziert, führt es uns die Tatsache vor Augen, dass das, was wir sehen, und das, was ist, längst nicht das Gleiche sein muss.

 

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