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Hervé Graumann: softPromenade / Kartause Ittingen

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Hervé Graumann: softPromenade / Kartause Ittingen, Viedoarbeit, 2001. Foto: Mirjam Wanner.

Herstellungsjahr: 2001

Technik: Videoarbeit

Die Videoarbeit „softPromenade / Kartause Ittingen“ fertigt Hervé Graumann 2001 für das Kunstmuseum Thurgau an. Zu sehen sind Innen- und Aussenräume der Kartause Ittingen. Dem Videospaziergang liegen Fotografien der Kartause zugrunde, denen Graumann mithilfe eines Computerprogramms zu Räumlichkeit und Bewegung verhilft.

Die Videoarbeit „softPromenade / Kartause Ittingen“ des Genfer Künstlers Hervé Graumann besteht aus zwei parallel laufenden Projektionen. Die linke zeigt Bilder von Aussenräumen wie Bäume, Wasser und Wiesen, aber auch Hausfassaden, einen Brunnen und ein geparktes Auto. Auf der rechten Leinwand sind alte Gewölbe, Holzschnitzarbeiten, Skulpturen und barocke Innenräume zu erkennen. Wer gerade noch über die Anlage und durch die Räumlichkeiten der Kartause Ittingen gelaufen ist, wird die gezeigten Bilder wiedererkennen. Teile des Chorgestühls und barocke Deckenverzierungen der Klosterkirche sowie ausgestellte Reliquien und Skulpturen von Heiligen lassen sich in der rechten Projektion als Teile des Inventars der Kartause identifizieren. Auf der linken Leinwand begegnen uns der Klostergarten, der Museumseingang und die Fassaden der an die Museen angrenzenden Gebäude.

Wie bei einer Kamerafahrt bewegen sich die Gegenstände am Betrachter vorbei. Aber die Landschaft, die man beim realen Gang in und um die Kartause erlebt hat, weicht deutlich von den Bildern der Projektionen ab. Die Grenzen zwischen Boden, Wänden, Decke und Einzelobjekten sind kantig und hart. Manche Stellen des Bildes sind verschwommen. Andere sind inhaltslose farbige Flächen, Leerstellen, die abrupt enden und in eine schwarze „Unendlichkeit“ münden. Die Bilder wirken collagenartig, wie aus einzelnen erstarrten Bildstreifen zusammengesetzt. Auch die räumliche Perspektive entspricht nicht der Realität. Vielmehr wirkt sie wie eine stümperhaft konstruierte Kulisse aus einzelnen Bausteinen.

Die scheinbare Unfähigkeit, den Ort perfekt nachzubilden, ist in Wirklichkeit künstlerische Methode. Grundlage der Arbeit Graumanns sind einzelne Fotografien der Kartause Ittingen. Mithilfe eines Computerprogramms legt er die Fotografien über einfache geometrische Körper und verleiht den fotografierten Objekten so Volumen. Auf diese Weise wird aus zweidimensionalen Fotografien eine dreidimensional wirkende Datenlandschaft, die Graumann anschliessend in Bewegung versetzt. Objekte und Atmosphäre wirken friedvoll und vertraut, auch durch den Verzicht auf jegliche Audio-Elemente wie Stimmen oder Musik. Doch die Landschaft hat auch etwas Fremdes und Verstörendes an sich, ausgelöst durch das Aufeinanderprallen zweier Räumlichkeiten: der im Foto eingefangenen und der der darunter gelegten geometrischen Körper.

Nur scheinbar geht es Graumann also um die Nachbildung der Realität. Sie wäre auch wenig sinnvoll, müsste man doch nur wenige Schritte gehen, um sie hautnah zu erleben. Vielmehr nimmt Graumann die leicht zu identifizierenden Bilder, um die künstlerischen Versuche der Nachahmung von Realität zu hinterfragen. Hierbei bedient er sich der Vereinfachung, Verfremdung und Auslassung. Die Reduktion der Landschaft und der Objekte zu einfachen geometrischen Körpern erinnert an den Kubismus. Ähnlich den Bildern von Picasso oder Georges Braques aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts zerfallen auch bei Graumann die konkreten Vorlagen in abstrakte Formen.

Die im Rahmen der Sammlung des Kunstmuseums Thurgau gezeigten Videoarbeiten Graumanns sind Teil der Serie animierter Fotolandschaften, „EZmodels“, und wurden speziell für das Museum angefertigt.

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