Direkt zum Inhalt springen
  • Drucken
  • Sitemap
  • Schriftgrösse

Anton Bernhardsgrütter: Die Magd des Herrn

2000-89
Anton Bernhardsgrütter, "Die Magd des Herrn", 1977

Herstellungsjahr: 1977

Technik: Öl auf Leinwand

Masse: 95.5 x 87 cm

Im Hintergrund des Gemäldes ist die thurgauische Heimat des Künstlers zu sehen. Vor ihr steht eine junge, nackte Frau. Mithilfe der starken Symbolik im Bild wird der Bezug von Vorder- und Hintergrund klar.

Vor einer hügeligen, scheinbar idyllischen Landschaft steht eine nackte Frau mit einem mädchenhaften Körper. Von links oben ragt ein farbenfroher Blumenstrauss in Richtung der jungen Frau ins Bild. Dessen Form – die ausladenden Blüten zeigen nach unten, die schmalen Stängel nach oben – erinnert jedoch mehr an eine Geissel. Bei Bernhardsgrütter ist er Zeichen der menschlichen Blüte – der kurzen Zeit der jungfräulichen Pubertät. Der Blick der jungen Frau ist gesenkt, wirkt verträumt und demütig zugleich. Im Hintergrund entdeckt man ein Sammelsurium an Geschichten, die grösstenteils dem Leben von Anton Bernhardsgrütter zugeordnet werden können und die die Idylle brechen. Der Güllewagen gibt einen Hinweis auf den Ort, an dem sich die Ereignisse abspielen. Die Gülle steht für die landwirtschaftlich geprägte Umgebung des Malers: den Kanton Thurgau. Sie dient im weiteren Sinn aber auch als Allegorie für Unmoral und Unmenschlichkeit. Das Haus auf dem Hügel rechts oben stellt das Elternhaus von Bernhardsgrütter, den Hof Neugrüt bei Hohentannen, dar. Vor dem Haus ist der Trauerzug an der Beerdigung seiner Mutter zu erkennen. Rechts unten ist eine Szene dargestellt, die in ihrer Surrealität nur als Symbol verstanden werden kann. Ein kräftiger Mann im Anzug mit dunkler Brille hält einen jungen, mageren, nackten Mann am Arm, so wie wenn er ihn abführen würde. Der junge Mann stellt den Maler selbst dar – wenn auch ohne jegliche Porträtähnlichkeit. Um einen Ast des neben ihm stehenden Baumes windet sich eine Schlange. Hier greift Bernhardsgrütter biblische Motive auf, die ihm dank seiner streng katholischen Erziehung bestens vertraut sind. „Vorn im Bild tut er schön, im Hintergrund, wo das Auge verweilt, lässt er die Teufel los.“ Das soll einst jemand über die Arbeiten Bernhardsgrütters gesagt haben – und es trifft auch auf dieses Gemälde zu. Die scheinbar idyllische Gegend ist gespickt mit dem Bösen, Unmoralischen und Traurigen dieser Welt. Sie ist nicht länger Paradiesgarten, sondern verraten und verkauft durch die schwarz gekleideten Geschäftsleute, die sich das Land aneignen. Die personifizierte Unschuld im Vordergrund steht in Kontrastbeziehung zur verlorenen Unschuld der Landschaft im Hintergrund. Die Magd des Herrn ist ein Zeichen der „Trauer ob der verlorenen Glückseligkeit des Ursprünglichen“, wie Bernhardsgrütter es selbst einmal formulierte.

Biografie