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Karolin Bräg: Mir gefällt's recht gut da

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Karolin Bräg, "Mir gefällt's recht gut da", 2003.

Herstellungsjahr: 2003

Technik: Dokumentensammlung und Publikation

Masse: Variabel

Gespräche bilden den Kern der künstlerischen Arbeit von Karolin Bräg. Im Reden mit den verschiedensten Personen untersucht sie Befindlichkeiten und die individuelle Erfahrung von Orten. Die im Gespräch gesammelten Zitatsplitter erfahren daraufhin eine Umsetzung in Foto-Text-Arbeiten, die gleichermassen künstlerische Betrachtung, Dokumentation und Befragung eines Orts sind.

2002 wurde die Münchnerin eingeladen, eine Arbeit für die Kartause Ittingen zu realisieren. Im Sommer und Winter führte sie Gespräche mit über sechzig Personen auf der Klosteranlage. Die Künstlerin liess sich im Schneeballsystem von einer Person zur nächsten weiterreichen, um so im Laufe der Zeit Einblick in alle vertretenen Arbeits- und Lebensbereiche zu gewinnen. Die Gespräche orientierten sich an der Frage „Warum bin ich hier?“. Die Antworten waren so unterschiedlich wie die Menschen auf der Anlage. Sie dokumentieren eine breite Vielfalt von Persönlichkeiten, die nur durch eines zusammengeführt werden: die Arbeit in diesem ehemaligen Kloster. In ihnen spiegeln sich nicht nur die Vielfalt aktueller Tätigkeiten im Kloster, sondern auch die unterschiedlichsten Vorstellungen davon, was das Kloster heute ist und welche Bedeutung es für die einzelnen Personen hat.

Die Künstlerin fügte ihre Gesprächsnotizen zu einer wohlgeordneten Dokumentation zusammen. Diese wird allerdings versiegelt in Ittingen aufbewahrt. An die Öffentlichkeit gelangten aus jedem Gespräch lediglich eines oder vielleicht zwei Zitate, die in einer Publikation zusammengefasst sind. Diese Gesprächssplitter sind die Essenz aus dem stundenlangen Reden und Zuhören, Konzentrat und Verdünnung gleichermassen. Wie in einem Echo klingen hier die Gespräche über den Ort und die Frage: „Warum bin ich hier?“ nach. An der Zusammenstellung der Zitate ist nichts zufällig. Beim blätternden Vorwärtslesen entwickelt sich ein vielfältig schillerndes Bild der Kartause mit all ihren Facetten und Widersprüchen. Es handelt sich dabei nicht um eine der „offiziellen“ Darstellungen des Klosters. Wohl klingen die Leitmotive des Orts vielfältig an. Allerdings nur als Kommentare der Mitarbeitenden, als Wertungen und Reaktionen auf die vorgegebenen Ideale. Im Buch entwickelt sich so quasi eine Innenansicht, welche die äusseren Ansichten kommentiert und verfeinert.

Als Kunstwerk verstanden skizziert die Arbeit von Karolin Bräg modellhaft einen Weg, wie die Kunst in einer Gesellschaft der Bilderflut und der Werbung präzis agieren kann. Karolin Bräg zeichnet keine eigenen Bilder der Kartause. Im Kern ihres Projekts stehen Kommunikationsakte: das Gespräch mit einigen Gesprächspartnern auf der einen, das Lesen der Zitate in der Publikation durch ein interessiertes Publikum auf der anderen Seite. Die Künstlerin ist in beiden Fällen Katalysator einer offenen Auseinandersetzung mit einem Ort, seinen Bildern, den mit ihm verbundenen Vorstellungen. Karolin Bräg öffnet so Bereiche des freien Denkens und des offenen Gesprächs. Ihre Arbeit über die Kartause Ittingen erweitert die in der Kunstsammlung des Museums enthaltenen Interpretationen des Orts von Janet Cardiff oder Joseph Kosuth um ein poetisches Werk.

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