Direkt zum Inhalt springen
  • Drucken
  • Sitemap
  • Schriftgrösse

Jenny Holzer: LUSTMORD (Perpetrator, Victim, Observer)

Holzer_Wanner.jpg
Jenny Holzer: LUSTMORD (Perpetrator, Victim, Observer), 1996. Foto: Mirjam Wanner.

Herstellungsjahr: 1996

Technik: gravierte Sandsteinbänke

Drei Sandsteinbänke stehen mitten im Gartenidyll der Kartause Ittingen. Umgeben von Blumen und Bäumen bieten sie einen guten Platz, um sich darauf niederzulassen und auszuruhen. Erst bei näherer Betrachtung offenbaren sich die eingemeisselten Buchstaben auf der Sitzoberfläche. Die Lettern erinnern im ersten Moment an eine lateinische Inschrift antiker oder mittelalterlicher Herkunft. Die Kartause Ittingen ist ein ehemaliges Kloster mit einer jahrhundertealten Geschichte. Eine solche Inschrift hier zu finden, ist nicht abwegig. Doch die Sprache der Schrift ist nicht Lateinisch, sondern Englisch. Die Sätze entstammen keinem alten Text. Es sind Sätze der Künstlerin Jenny Holzer. Sie sprechen von Sexualität, Gewalt, Vergewaltigung und Tod.
Die Arbeit der Künstlerin Jenny Holzer, die sich seit 1996 als Dauerleihgabe in der Sammlung des Kunstmuseums Thurgau befindet, bricht bewusst mit der sie umgebenden Gartenidylle. Der Kontrast ist Programm und findet sich bereits im Titel der Arbeit: "Lustmord" vereint zwei ausdrucksstarke Begriffe, Lust für die positiv gefärbte Assoziation mit Kraft, Sinneswahrnehmung und Sexualität sowie Mord für das Gewaltverbrechen der vorsätzlichen Tötung. Die Textgruppe "Lustmord" entstand als Reaktion der Künstlerin auf die Kriegsgeschehen in Ex-Jugoslawien im Jahr 1993, im Speziellen auf die Berichte und Zeugenaussagen von organisierten Massenvergewaltigungen und anderen Sexualverbrechen.
Die Texte auf den drei Bänken beschreiben aus drei Perspektiven, derjenigen des Opfers, des Täters und des Beobachters, Akte der Lust und der Gewalt. Neben der Provokation und dem Schock irritieren die Texte, denn sie lassen viele Fragen offen: Wer sind die Personen? Was ist ihre Verbindung zueinander? Was ist das Motiv? Beim Lesen der Texte sind die Lesenden auf die eigenen Bilder und Gedanken zurückgeworfen, die aus dem kollektiven Bildgedächtnis von Film, Fernsehen und Zeitung genährt werden. Die Lücken im Text werden von der eigenen Fantasie gefüllt. Es entsteht eine unüberwindbare Kluft zwischen den inneren Bildern und der beschaulich unschuldigen Umgebung des Klostergartens.

Biografie