Graber, Hedy
„Schuften, schlafen, schuften, schlafen. Was wäre das Leben ohne Kultur?“
Vortrag: Symposium "Professionalisierung - Fluch oder Segen", Kartause Ittingen, 25./26.5.2005 Das statutarisch verankerte Migros-Kulturprozent fusst auf einer Vision des Migros-Gründers Gottlieb Duttweiler. Wie hat sich die Förderung kultureller und sozialer Projekte in einem sich verändernden gesellschaftlichen Umfeld gewandelt? Von Eigenproduktionen zur Vergabung von Finanzierungsbeiträgen: die Migros als private Förderinstitution kann Freiräume schaffen und Impulse setzen. Ein Rückblick und ein Ausblick.
Eigentlich hätte die Migros das Kulturmobil erfinden müssen: Sie erinnern sich an die Gründung des heute grössten Schweizer Detailhändlers: Gottlieb Duttweiler reiste mit seinem legendären Lastwagen durch die Dörfer und verkaufte als erstes Zucker, Teigwaren, Kaffee, Reis, Seife und Kokosfett.
Sehr geehrte Damen und Herren
Herzlichen Dank für die Einladung, in diesem Rahmen die letzten 20 Jahre der Migros Kulturförderung darzustellen. Gerne habe ich sie angenommen, obwohl ich, was ein „Migrosrückblick“ der letzten 20 Jahre betrifft, wohl nicht so sehr geeignet bin…kann ich erst seit gut einem Jahr die Förderpolitik der Direktion KUS (das ist ein Teil des K%) mitprägen.
Da es mir, wie gesagt, an Detailwissen an manchen Stellen fehlt und sich die Archivrecherche eher unübersichtlich als ergiebig erwiesen hat, werde ich mir erlauben, im Folgenden zur Migros und ihrer Kulturförderpolitik drei Themenkreise zu erwähnen:
1. Die 80er: \t\tDas können wir.
2. Die 90er: \t\tDas können wir auch.
3. Heute: \t\tDas wollen wir.
Die nun kommenden Kommentare sind nicht wertend zu verstehen, sie sind eine persönliche Analyse aus Fakten, Erzähltem und Erlebtem und widerspiegeln in einem gewissen Masse auch meine eigenen Erfahrungen als Kulturvermittlerin in den späten 80ern, als Kulturverantwortliche der öffentlichen Hand in den späten neunziger Jahren bis hin zu meiner aktuellen Tätigkeit.
1. Rückblick: Die 80er: Das können wir.
In den achtziger Jahren hat alternative Kultur Hochkonjunktur. Dank „Züri brännt“ werden auch in der Peripherie Projekte gefördert, die sich „Produzentengalerie“, „Werkraum – Werkstatt“ oder „Produzententheater“ nennen. Inhalte dominieren ganz klar vor einem ökonomischen Umgang mit zur Verfügung stehenden Mitteln. Und: sogar die öffentliche Hand spendet Startbeiträge für alternative Kulturzentren. Fast niemand fragt nach der Lebensdauer der Projekte, man investiert und geht davon aus, dass die geförderten Projekte eines Tages flügge werden oder sich wieder in Luft auflösen.
Was macht die Migros? Die Migros gibt gemäss ihren Statuten Geld für Bildung, Kultur und Soziales aus. Ein Prozent des Umsatzes (nicht des Gewinns). Mit Mitteln des Migros-Kulturprozent werden, nebst der klassischen Förderung, den Gesuchen und den Studienpreisen, nun vor allem eigene Projekte initiiert und gleich auch umgesetzt. „Kulturelle Aktionen“ nennt sich eine ganze Abteilung nicht nur im MGB sondern auch in den Genossenschaften.
Zum Beispiel entsteht das Tanzfestival STEPS. Das können wir: die damaligen Verantwortlichen der Migros-Kulturförderung erkannten früh, dass der Tanz in der Schweiz ein Schattendasein fristet. Ganz dem damaligen Zeitgeist verpflichtet, wurde entschieden, den Tanz zu fördern und ihn gleichzeitig den Menschen, nicht nur in Metropolen, sondern auch in der Peripherie näher zu bringen. Zwei Fliegen auf einen Schlag sozusagen: Künstlerförderung und Publikumsförderung, schweizweit.
Das können wir: von der künstlerischen Auswahl, vom Tourneeplan bis hin zur Werbung und zum Ticketverkauf, das ganze Tanzfestival wurde sozusagen inhouse konzipiert und umgesetzt. Wer, wenn nicht die Migros hätte sich auf so ein Unterfangen eingelassen, bzw. sich einlassen können?
„Kulturelle Aktionen“ umsetzen heisst agieren, nicht delegieren. Es muss nicht abgewartet werden, bis sich andere Partner für ein Projekt finden lassen; es wird vorwärts gearbeitet, experimentier- und risikofreudig. Die Förderung der Migros entwickelt sich evolutionär und situationsbezogen. Der Schweizer Kulturdschungel wird bunt angereichert, dort wo man Förderung für notwendig hält und dort, wo es sich auch sonst noch ergibt.
2. Die 90er: Das können wir auch.
Ich komme zu den neunziger Jahren. Die Peripherie ist gesättigt mit Landkinos, Kulturzügen und experimentellen Musikfestivals. Kulturgruppen haben sich vor Ort organisiert, Atelier- und Proberäume werden mehr oder weniger erschwinglich. Es lässt sich gut leben im Kulturdschungel, wenn man weiss, wo man überall Unterstützung erhalten kann. Besser noch leben die Kulturschaffenden, die gleich an zwei Heimatorten Gesuche einreichen können.
Das können wir auch. Die Migros gründet ein Kulturbüro in Zürich. Und die Migros investiert in eine Datenbank, kulturfoerderung.ch. Das Kulturbüro: urban, ein kleiner Laden im Zürcher Kreis 4, vermietet günstig Dienstleistungen: Busse für Bands, Kameras und Schnittplätze für angehende Filmer und vieles mehr. Das Migros-Kulturbüro will sagen: wir erkennen die Bedürfnisse der jungen Kulturschaffenden, die noch nicht ans grosse Fördergeld kommen (wollen), sie brauchen schnelle, unkomplizierte und günstige Dienstleistungen.
Die Datenbank: kulturförderung.ch ist ein erstes virtuelles Vernetzungsinstrument und ein konsequenter Führer durch den Kulturdschungel; erleichtert beiden Seiten, den Kulturförderern und den Kulturschaffenden das Leben. Auch dieses Projekt ist schnell und niederschwellig.
Das können wir auch: die Migros eröffnet ein Museum für Gegenwartskunst mit dem Ziel, in einem internationalen Kontext nicht mainstreamgängige Akzente setzen zu können. Und die Migros gründet einen Ort zum (Nach)denken, das L&ARC, „atelier de littérature et reflexion contemporaine“ in Romainmôtier, ein Freiraum zum Denken, jenseits von kommerziellen Zwängen. Und die Migros macht Musik mit M4Music, ein Popkulturfestival, für den Nachwuchs.
Die 90er Jahre auch in der Kulturförderung der Migros: reiche Vielfalt gepaart mit einem klaren Bekenntnis zu einer urbanen Kultur. Weg von der Peripherie, zurück in den Stadtraum.
Und oder aber auch: Steps tourt im Zweijahresrhythmus erfolgreich in der Provinz und in Städten, die Menschen beginnen, sich vermehrt für Tanz und Tanzförderung zu interessieren, der Funken springt an manchen Orten auf die öffentliche Hand über.
Die „Kulturprozentler“ machen nicht mehr alles selbst, sie haben angefangen, mit Partnern zu kooperieren; wann, wie und warum? Weniger aus Not an Ideen als dass es dem Zeitgeist und dem Zauberwort „Vernetzung“ entspricht. Inhalte sind immer noch wichtig, die Verpackung auch: die Migros lanciert Künstlertragtaschen und den Kulturbeutel.
3. Heute: Das wollen wir.
Wir sind im 3. Jahrtausend gelandet, die Ökonomisierung des Kulturdiskurses hat Einzug gehalten. Wir reden über die Lebensdauer von Projekten, über Potenziale, über Portfolios, Vernetzungen und Partnerschaften. Nicht, dass es all dies früher nicht gegeben hätte, …es wurde nur nicht so stark fokussiert. Wir reden über Restrukturierungen, Reorganisation und Konzentration der Ressourcen (im Gegensatz zur öffentlichen Hand sind die uns zur Verfügung stehenden Mittel momentan leicht steigend….kaufen sie also weiterhin bei der Migros ein.)
Das wollen wir: Steps findet nächstes Jahr zum 10. Mal statt, das Kulturbüro gibt es nicht nur in Zürich und Bern, sondern bald auch in Genf, das Migrosmuseum und M4 Music haben sich klar positionieren können. Unsere Projekte sind finanziert und werden evaluiert. Es ist an der Zeit, die Förderpolitik nicht nur zu überdenken, sondern auch vermehrt klar zu kommunizieren.
Professionell arbeiten bedeutet für uns heute auch, dass wir unsere Projekte auf ihre Lebensdauer hin überprüfen; nicht nur die von der Migros verkauften Lebensmittel haben ein Verfalldatum, auch kulturelle und soziale Projekte haben eines. Doch: ab wann ist ein Projekt, um in der Nahrungsmittelbranche zu bleiben, nicht mehr „geniessbar“, ab wann stinkt es sogar? Evaluationen vermögen das Verfalldatum nur teilweise mitzubestimmen, unternehmenspolitische Aspekte sind ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Faktor. Und schliesslich der Erfolg: gibt es gute Gründe, ein erfolgreiches Projekt abzuschaffen, um ein Neues, Risikoreicheres zu fördern?
Da helfen professionelle Analysen nur bedingt weiter, im Gegenteil, sie können auch im Weg stehen. Schwerpunkte setzen, eine stringente Förderpolitik formulieren, eine gezielte Auswahl treffen bedeutet immer auch, sich zum Fenster hinaus zu lehnen und zu sagen: die Migros ist zwar für alle da, aber nicht für alles. Genau das wollen wir heute.
Das kulturelle Überangebot verlangt von uns neue Strategien: zum Beispiel Distributionsförderung und Vermittlung anstatt direkte Produktionsförderung, aber auch Konzentration auf inhaltliche Schwerpunkte.
Nach diesem Ausblick ein Link zum Thema der Tagung:
Was bringt uns die sog. Professionalisierung der Kultur heute?
Die Gesuchsflut nimmt zu: die Hemmschwelle, ein Gesuch bei der Migros einzureichen kann als sehr tief bezeichnet werden. Kulturschaffende und Kulturvermittler haben gelernt, Gesuche professionell zu schreiben und kennen die entsprechenden Adressaten (nicht zuletzt dank der oben erwähnten Datenbank kulturförderung.ch). Projekte werden heute teurer, weil Kulturmanager sich auch einen Teil des Kuchens abschneiden wollen (das ist zwar legitim, verteuert jedoch wie gesagt die Projekte).
Die künstlerische Qualität der Gesuche ist jedoch nicht abhängig vom professionell gestalteten Dossier. Deshalb setzen wir nach wie vor darauf, Fachexpertinnen und Fachexperten inhouse zu haben. Inhaltliches Knowhow vor Managementkompetenzen sozusagen, da verhalten wir uns zwar etwas altmodisch, könnte man fast sagen, machen jedoch gute Erfahrungen damit.
Und trotzdem: die Professionalisierung der Kultur gibt Kulturprojekten eine andere Akzeptanz, beim Geldgeber und beim Publikum. Dies, weil unsere Zeit und (leider) auch die Kulturförderung von ökonomischen Überlegungen dominiert ist.
Und kommen wir zur Kunst zurück: da sind wir schon immer davon ausgegangen, dass die künstlerische Ebene eines Projekts hoch professionell ist: wir fördern keine Laienprojekte und umschiffen weitgehend das künstlerische Mittelmass.
Seltsame Blüten bleiben auch uns nicht erspart: letzthin hat ein heiratender Sänger angefragt, ob wir seine Gage (e r sang an seiner eigenen Hochzeit) übernehmen könnten. Heiratender Sänger oder singender Bräutigam war da die Frage: die Experten waren sich einig, das Gesuch wird abgelehnt.
Eigentlich hätte die Migros das Kulturmobil erfinden müssen: Sie erinnern sich an die Gründung des heute grössten Schweizer Detailhändlers: Gottlieb Duttweiler reiste mit seinem legendären Lastwagen durch die Dörfer und verkaufte als erstes Zucker, Teigwaren, Kaffee, Reis, Seife und Kokosfett.
Sehr geehrte Damen und Herren
Herzlichen Dank für die Einladung, in diesem Rahmen die letzten 20 Jahre der Migros Kulturförderung darzustellen. Gerne habe ich sie angenommen, obwohl ich, was ein „Migrosrückblick“ der letzten 20 Jahre betrifft, wohl nicht so sehr geeignet bin…kann ich erst seit gut einem Jahr die Förderpolitik der Direktion KUS (das ist ein Teil des K%) mitprägen.
Da es mir, wie gesagt, an Detailwissen an manchen Stellen fehlt und sich die Archivrecherche eher unübersichtlich als ergiebig erwiesen hat, werde ich mir erlauben, im Folgenden zur Migros und ihrer Kulturförderpolitik drei Themenkreise zu erwähnen:
1. Die 80er: \t\tDas können wir.
2. Die 90er: \t\tDas können wir auch.
3. Heute: \t\tDas wollen wir.
Die nun kommenden Kommentare sind nicht wertend zu verstehen, sie sind eine persönliche Analyse aus Fakten, Erzähltem und Erlebtem und widerspiegeln in einem gewissen Masse auch meine eigenen Erfahrungen als Kulturvermittlerin in den späten 80ern, als Kulturverantwortliche der öffentlichen Hand in den späten neunziger Jahren bis hin zu meiner aktuellen Tätigkeit.
1. Rückblick: Die 80er: Das können wir.
In den achtziger Jahren hat alternative Kultur Hochkonjunktur. Dank „Züri brännt“ werden auch in der Peripherie Projekte gefördert, die sich „Produzentengalerie“, „Werkraum – Werkstatt“ oder „Produzententheater“ nennen. Inhalte dominieren ganz klar vor einem ökonomischen Umgang mit zur Verfügung stehenden Mitteln. Und: sogar die öffentliche Hand spendet Startbeiträge für alternative Kulturzentren. Fast niemand fragt nach der Lebensdauer der Projekte, man investiert und geht davon aus, dass die geförderten Projekte eines Tages flügge werden oder sich wieder in Luft auflösen.
Was macht die Migros? Die Migros gibt gemäss ihren Statuten Geld für Bildung, Kultur und Soziales aus. Ein Prozent des Umsatzes (nicht des Gewinns). Mit Mitteln des Migros-Kulturprozent werden, nebst der klassischen Förderung, den Gesuchen und den Studienpreisen, nun vor allem eigene Projekte initiiert und gleich auch umgesetzt. „Kulturelle Aktionen“ nennt sich eine ganze Abteilung nicht nur im MGB sondern auch in den Genossenschaften.
Zum Beispiel entsteht das Tanzfestival STEPS. Das können wir: die damaligen Verantwortlichen der Migros-Kulturförderung erkannten früh, dass der Tanz in der Schweiz ein Schattendasein fristet. Ganz dem damaligen Zeitgeist verpflichtet, wurde entschieden, den Tanz zu fördern und ihn gleichzeitig den Menschen, nicht nur in Metropolen, sondern auch in der Peripherie näher zu bringen. Zwei Fliegen auf einen Schlag sozusagen: Künstlerförderung und Publikumsförderung, schweizweit.
Das können wir: von der künstlerischen Auswahl, vom Tourneeplan bis hin zur Werbung und zum Ticketverkauf, das ganze Tanzfestival wurde sozusagen inhouse konzipiert und umgesetzt. Wer, wenn nicht die Migros hätte sich auf so ein Unterfangen eingelassen, bzw. sich einlassen können?
„Kulturelle Aktionen“ umsetzen heisst agieren, nicht delegieren. Es muss nicht abgewartet werden, bis sich andere Partner für ein Projekt finden lassen; es wird vorwärts gearbeitet, experimentier- und risikofreudig. Die Förderung der Migros entwickelt sich evolutionär und situationsbezogen. Der Schweizer Kulturdschungel wird bunt angereichert, dort wo man Förderung für notwendig hält und dort, wo es sich auch sonst noch ergibt.
2. Die 90er: Das können wir auch.
Ich komme zu den neunziger Jahren. Die Peripherie ist gesättigt mit Landkinos, Kulturzügen und experimentellen Musikfestivals. Kulturgruppen haben sich vor Ort organisiert, Atelier- und Proberäume werden mehr oder weniger erschwinglich. Es lässt sich gut leben im Kulturdschungel, wenn man weiss, wo man überall Unterstützung erhalten kann. Besser noch leben die Kulturschaffenden, die gleich an zwei Heimatorten Gesuche einreichen können.
Das können wir auch. Die Migros gründet ein Kulturbüro in Zürich. Und die Migros investiert in eine Datenbank, kulturfoerderung.ch. Das Kulturbüro: urban, ein kleiner Laden im Zürcher Kreis 4, vermietet günstig Dienstleistungen: Busse für Bands, Kameras und Schnittplätze für angehende Filmer und vieles mehr. Das Migros-Kulturbüro will sagen: wir erkennen die Bedürfnisse der jungen Kulturschaffenden, die noch nicht ans grosse Fördergeld kommen (wollen), sie brauchen schnelle, unkomplizierte und günstige Dienstleistungen.
Die Datenbank: kulturförderung.ch ist ein erstes virtuelles Vernetzungsinstrument und ein konsequenter Führer durch den Kulturdschungel; erleichtert beiden Seiten, den Kulturförderern und den Kulturschaffenden das Leben. Auch dieses Projekt ist schnell und niederschwellig.
Das können wir auch: die Migros eröffnet ein Museum für Gegenwartskunst mit dem Ziel, in einem internationalen Kontext nicht mainstreamgängige Akzente setzen zu können. Und die Migros gründet einen Ort zum (Nach)denken, das L&ARC, „atelier de littérature et reflexion contemporaine“ in Romainmôtier, ein Freiraum zum Denken, jenseits von kommerziellen Zwängen. Und die Migros macht Musik mit M4Music, ein Popkulturfestival, für den Nachwuchs.
Die 90er Jahre auch in der Kulturförderung der Migros: reiche Vielfalt gepaart mit einem klaren Bekenntnis zu einer urbanen Kultur. Weg von der Peripherie, zurück in den Stadtraum.
Und oder aber auch: Steps tourt im Zweijahresrhythmus erfolgreich in der Provinz und in Städten, die Menschen beginnen, sich vermehrt für Tanz und Tanzförderung zu interessieren, der Funken springt an manchen Orten auf die öffentliche Hand über.
Die „Kulturprozentler“ machen nicht mehr alles selbst, sie haben angefangen, mit Partnern zu kooperieren; wann, wie und warum? Weniger aus Not an Ideen als dass es dem Zeitgeist und dem Zauberwort „Vernetzung“ entspricht. Inhalte sind immer noch wichtig, die Verpackung auch: die Migros lanciert Künstlertragtaschen und den Kulturbeutel.
3. Heute: Das wollen wir.
Wir sind im 3. Jahrtausend gelandet, die Ökonomisierung des Kulturdiskurses hat Einzug gehalten. Wir reden über die Lebensdauer von Projekten, über Potenziale, über Portfolios, Vernetzungen und Partnerschaften. Nicht, dass es all dies früher nicht gegeben hätte, …es wurde nur nicht so stark fokussiert. Wir reden über Restrukturierungen, Reorganisation und Konzentration der Ressourcen (im Gegensatz zur öffentlichen Hand sind die uns zur Verfügung stehenden Mittel momentan leicht steigend….kaufen sie also weiterhin bei der Migros ein.)
Das wollen wir: Steps findet nächstes Jahr zum 10. Mal statt, das Kulturbüro gibt es nicht nur in Zürich und Bern, sondern bald auch in Genf, das Migrosmuseum und M4 Music haben sich klar positionieren können. Unsere Projekte sind finanziert und werden evaluiert. Es ist an der Zeit, die Förderpolitik nicht nur zu überdenken, sondern auch vermehrt klar zu kommunizieren.
Professionell arbeiten bedeutet für uns heute auch, dass wir unsere Projekte auf ihre Lebensdauer hin überprüfen; nicht nur die von der Migros verkauften Lebensmittel haben ein Verfalldatum, auch kulturelle und soziale Projekte haben eines. Doch: ab wann ist ein Projekt, um in der Nahrungsmittelbranche zu bleiben, nicht mehr „geniessbar“, ab wann stinkt es sogar? Evaluationen vermögen das Verfalldatum nur teilweise mitzubestimmen, unternehmenspolitische Aspekte sind ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Faktor. Und schliesslich der Erfolg: gibt es gute Gründe, ein erfolgreiches Projekt abzuschaffen, um ein Neues, Risikoreicheres zu fördern?
Da helfen professionelle Analysen nur bedingt weiter, im Gegenteil, sie können auch im Weg stehen. Schwerpunkte setzen, eine stringente Förderpolitik formulieren, eine gezielte Auswahl treffen bedeutet immer auch, sich zum Fenster hinaus zu lehnen und zu sagen: die Migros ist zwar für alle da, aber nicht für alles. Genau das wollen wir heute.
Das kulturelle Überangebot verlangt von uns neue Strategien: zum Beispiel Distributionsförderung und Vermittlung anstatt direkte Produktionsförderung, aber auch Konzentration auf inhaltliche Schwerpunkte.
Nach diesem Ausblick ein Link zum Thema der Tagung:
Was bringt uns die sog. Professionalisierung der Kultur heute?
Die Gesuchsflut nimmt zu: die Hemmschwelle, ein Gesuch bei der Migros einzureichen kann als sehr tief bezeichnet werden. Kulturschaffende und Kulturvermittler haben gelernt, Gesuche professionell zu schreiben und kennen die entsprechenden Adressaten (nicht zuletzt dank der oben erwähnten Datenbank kulturförderung.ch). Projekte werden heute teurer, weil Kulturmanager sich auch einen Teil des Kuchens abschneiden wollen (das ist zwar legitim, verteuert jedoch wie gesagt die Projekte).
Die künstlerische Qualität der Gesuche ist jedoch nicht abhängig vom professionell gestalteten Dossier. Deshalb setzen wir nach wie vor darauf, Fachexpertinnen und Fachexperten inhouse zu haben. Inhaltliches Knowhow vor Managementkompetenzen sozusagen, da verhalten wir uns zwar etwas altmodisch, könnte man fast sagen, machen jedoch gute Erfahrungen damit.
Und trotzdem: die Professionalisierung der Kultur gibt Kulturprojekten eine andere Akzeptanz, beim Geldgeber und beim Publikum. Dies, weil unsere Zeit und (leider) auch die Kulturförderung von ökonomischen Überlegungen dominiert ist.
Und kommen wir zur Kunst zurück: da sind wir schon immer davon ausgegangen, dass die künstlerische Ebene eines Projekts hoch professionell ist: wir fördern keine Laienprojekte und umschiffen weitgehend das künstlerische Mittelmass.
Seltsame Blüten bleiben auch uns nicht erspart: letzthin hat ein heiratender Sänger angefragt, ob wir seine Gage (e r sang an seiner eigenen Hochzeit) übernehmen könnten. Heiratender Sänger oder singender Bräutigam war da die Frage: die Experten waren sich einig, das Gesuch wird abgelehnt.