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Messmer, Dorothee

Einführung: The Golden Space City of God

Text Einladungskarte

Das Kunstmuseum Thurgau präsentiert ab 24. Oktober 2010 die erste Einzelausstellung Richard Graysons in der Schweiz. Der englische Künstler und Kurator schuf ein grossartiges Chorwerk in Form einer raumfüllenden Audio-Video-Installation, das von einer Serie von Zeichnungen umrahmt wird.
„The Golden Space City of God“ entstammt einem Text, den der Künstler der Website von „The Family“ entnahm, einer Kommune, die in den 60er Jahren als „Children of God“ bekannt geworden war. Sie beschreiben darin den Weltuntergang als apokalyptisches Zukunftsszenario, das - als grandioses Werk komponiert und von einem 26köpfigen Chor aufgeführt - Parallelen zu den Entwicklungen der letzten Jahre aufweist.
Richard Graysons Arbeiten bestechen durch ihre Kombination von sinnlich ästhetischer Kraft und gesellschaftskritischem Inhalt. Bekannt wurde er mit seiner 2005 entstandenen Videoinstallation „Messiah“, in der eine Country-Band das Libretto von Georg Friedrich Händel neu intonierte und in ihrer Mischung aus eingängiger Musik und kämpferisch religiösen Texten für Irritationen sorgte. Die Arbeit, die auch in der Ausstellung „Gott sehen“ vertreten war, machte auf die Mechanismen des religiösen Fundamentalismus aufmerksam, ein Thema, das der Künstler mit „The Golden Space City of God“ ein weiteres Mal aufgreift.
„Golden Space City of God“ präsentiert im grossen Ausstellungskeller den Konzertmitschnitt des gleichnamigen Werkes durch einen 26köpfigen Chor. Die Komposition stammt aus der Feder des britischen Komponisten Leo Chadburn und basiert auf einem Libretto Graysons, das als Untertitel im Video erscheint. Der Künstler entnahm den Inhalt einer Website, welche die Visionen von „The Family“ wiedergibt, einer religiösen Gemeinschaft, die in den 1960er Jahren als „Children of God“ bekannt wurde und vor allem mit ihren sexuellen Praktiken und ihrer missionarischen Tätigkeit durch sexuelle Avancen die Öffentlichkeit brüskierte. Die Sekte, die heute in rund 100 Ländern tätig ist, umfasst etwa 8000 - 10 000 Anhänger. Kleinere Gruppen sind auch in der Schweiz aktiv.
„The Family“ versteht sich als die wahre christliche Gemeinschaft und glaubt sich in der Endzeit lebend, einer ‚Ära, die in der Heiligen Schrift »die letzten Tage« oder »die Endzeit« genannt wird, mit anderen Worten, die Zeit, die dem zweiten Kommen Christi unmittelbar vorangeht.’ (Zitat aus: www.diefamilie.com)
Das Libretto basiert denn auch auf Texten, die eine detaillierte Vorstellung geben vom Ende der Welt. Sie berufen sich einerseits auf das Buch der Offenbarung, sind jedoch ebenso beeinflusst durch Sprache und Bilder der Science Fiction Generation der 1960er Jahre.
Zum Inhalt: Den Beginn der Endzeit markieren weltweite ökonomische und soziale Unruhen, die sich über den ganzen Globus ausbreiten, gefolgt von einer Ölkrise und dem Kollaps der Bankenwelt. Aus diesem Chaos steigt ein Weltführer auf, der - von UFOs assistiert - ein weltumspannendes Imperium aufbaut, mit Hilfe von Kreditkarten-Technologie und Pin-Codes, der UNESCO und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft. Er baut einen gigantischen Roboter und vernichtet damit den Kapitalismus. Schliesslich steigt Jesus ein zweites Mal zur Erde hinab, besiegt den Bösen und schafft ein Königreich der Auserwählten. Tausend Jahre vergehen, in denen diese abseits in einer Idealgemeinschaft leben und die Massen mit ihren übernatürlichen Fähigkeiten in Schach halten. Die übrige Menschheit erhebt sich schliesslich noch ein letztes Mal, wird jedoch von Feuer und Plagen zerstört. Am Ende steigt Gott im grössten je erbauten Raumschiff auf die Erde hinab, der „Golden Space City“, und führt die Auserwählten zu neuen Planeten und Galaxien.
Im grossen Ausstellungskeller des Kunstmuseums Thurgau findet Richard Grayson nun einen Raum vor, der für diese Arbeit wie gemacht scheint. Der ehemalige Weinkeller des Kartäuserklosters, dessen Gewölbe eine fast sakral aufgeladene Stimmung verbreitet, bildet den optimalen Rahmen für die raumfüllende Video-Audio-Installation. Der Künstler beschränkt sich nämlich nicht auf den Konzertmitschnitt selbst, sondern setzt den Film in eine bestimmte räumliche Umgebung, mit passender Bestuhlung, Vorhang und Teppich. Damit wähnt sich das Publikum in einem (religiösen) Gemeinschaftsraum, und es entsteht das Gefühl, Teil dieser Gemeinschaft zu sein. Damit verweist Richard Grayson auf jene Mechanismen, die für die Bildung von fundamentalen Gruppen mitverantwortlich sind: Gruppenzugehörigkeit, Identitätssuche und Sehnsucht nach Sinnhaftigkeit.
Im vorderen Teil des Kellers schliesslich stellt eine Serie von grossformatigen Zeichnungen, die in Zusammenhang mit dem Thema entstanden sind, neben dem Installationskünstler, Librettisten und Kuratoren auch den Zeichner Richard Grayson ins Zentrum.
„The Golden Space City of God“ kam am 14. März 2009 in Say Si (San Antonio, Texas) zur Aufführung und wurde produziert von Artspace, San Antonio und Matt’s Gallery, London.

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