Eva Wipf stellt uns mit ihrem Objekt „Altar für eine Bombe“ aus dem Jahr 1976 vor ein Paradoxon. Im Mittelteil des Schreins, wo die Altartradition den überhöhten Glaubensinhalt erwarten lässt, präsentiert uns Eva Wipf die Hülse eines Kriegsgeschosses. Sie nimmt vorgefundene Objekte, die aus einem bestimmten Kontext stammen und kombiniert diese so, dass sich ein neuer Sinn ergibt.
Aus einem dreiteiligen Holzkästchen und einem geschnitzten Schrankaufsatz zimmert die gelernte Keramikerin Eva Wipf einen ihrer Schreine. Die Seitenflügel bildet der geschwungene Deckel bzw. Boden einer Zitter.
Auf dem rechten Flügel sind die gespannten Zittersaiten und eine Grifftabelle in Goldlettern zu finden. Auf dem linken Flügel pinselt Eva Wipf als Pendant ebenfalls in Gold die erste Zeile der Schweizer Nationalhymne. Als Markenzeichen der Zitter findet sich auf beiden Seiten das Schweizer Kreuz mit Umschrift.
Im Mittelteil des Schreins, wo die Altartradition den überhöhten Glaubensinhalt erwarten lässt, präsentiert uns Eva Wipf die Hülse eines Kriegsgeschosses: auf einem Sockel überhöht, mit einer Aureole hinterlegt und durch Aufschrift und Kreuz deutlich als Schweizer Produkt zu erkennen. In den mittleren Seitennischen malt Wipf erneut, diesmal größer, das weiße Kreuz auf rotem Grund. Darunter reihen sich auf jeder Seite etwa 20 kleine Metallkreuze, die an einen Heldenfriedhof erinnern
Eva Wipfs „Altar für eine Bombe“ lebt von der Bedeutungsverschiebung. Die Künstlerin nimmt vorgefundene Objekte, die aus einem bestimmten Bedeutungsfeld stammen und kombiniert diese so, dass sich ein neuer, erweiterter, bissig-kritischer Sinn ergibt.
Hier mischt sich die Formensprache der christlichen Religion - zu der vor allem das Kreuz gehört - mit den Insignien einer Nation. Das Schweizer Kreuz und die Kreuze der Trauer, sind hier an die Stelle des christlichen Kreuzes als Glaubenssymbol getreten.
Nation als Glaubensinhalt wird hier zelebriert und ironisch entlarvt. Die Begleitmusik spielt das Schweizer Brauchtum, hier vertreten durch die Zittermusik. Den rituellen Rahmen der Objektinszenierung bildet die Form eines Altars.
Die heimlichen Bedeutungsverschiebungen hätten still funktioniert, wenn die Künstlerin nicht im Zentrum des Arrangements sprichwörtlich eine Bombe zum Platzen gebracht hätte. Sie ist der künstlerische Irritationsfaktor, der Einstieg dazu, diesen Altar eben nicht gläubig affirmativ sondern gesellschaftskritisch zu lesen.
Eva Wipf nutzt souverän das Vokabular der modernen Kunst, indem sie mit den Möglichkeiten der Umdeutung von Objekten agiert. War die erste Objektkunst mit Marcel Duchamp bemüht, dieses Vokabular erst für die Kunst nutzbar zu machen, zielt Wipf darauf, aus Bedeutungsbruchstücken einen sinnhafte Botschaft zu formulieren.