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Almira Medaric: Repeating Fragment

Foto: Raffael Soppelsa
Foto: Raffael Soppelsa

Herstellungsjahr: 2019/2020

Technik: Wandmalerei

"Repeating Fragment" wurde 2019 von der Ankaufskommission des Kantons Thurgau bei Almira Medaric in Auftrag gegeben und von der Künstlerin anlässlich der Ausstellung "Pinsel, Pixel und Pailletten – Neue Malerei" (2020) im Kunstmuseum Thurgau umgesetzt. Die Wandmalerei bespielt die Fassade einer ehemaligen Mönchszelle im Nordhof der Kartause Ittingen. Es ist eine der Zellen, die dem Kunstmuseum Thurgau heute als Ausstellungsraum dienen. Medarics Werk basiert auf den zwei Farben Weiss und Grau, auf der geometrischen Form des Rechtecks und einer konsequent angewendeten Dimension der Streifen. Die Künstlerin überzog die gesamte Fassadefläche mit grauen und weissen Streifen. Im Zentrum werden die zwei längsrechteckigen Fenster von einem grauen Band umrahmt, das direkt am Erdboden ansetzt und so zu einem vermeintlichen Rechteck geschlossen wird. Diese geometrische Form wiederholt sich in immer grösser werdenden Massen, bis sie über die Fassade hinaustritt und nur noch als Fragment angedeutet ist.
Die Klosterarchitektur der Kartause Ittingen spielte bei der Entwicklung der Arbeit eine zentrale Rolle. Viele Fenster und Türen an den historischen Gebäuden werden von grau bemalten oder mit grauem Stein gebauten Zierbändern gefasst. Die Breite der weissen und grauen Streifen ergab sich vor Ort aus der Höhe des Fenstersturzes. Anhand dieser Elemente – der Fensterumrahmung, der Grösse des Fenstersturzes und der Farbe Grau – schuf Medaric die Bildstruktur.
Die Bildsprache der Künstlerin manifestiert sich nicht nur in der präzisen Bestimmung der Bezüge zwischen ihrer Malerei und der Architektur der Kartause. Medarics künstlerischer Ausdruck wird ersichtlich in der spezifischen Farbwahl, in der Auseinandersetzung mit dem Licht, in der Faszination für geometrische Formen und für das ordnende Prinzip als Bildstruktur.
Wie die Künstlerin selbst erläuterte, hat sie die Farbe KT17.060 Eileenʼs gray nicht bloss gewählt, da das helle Steingrau mit der weiss verputzen Wand und mit den Farben der Umgebung – den Klostermauern und Dächern – harmoniert. Die Farbe ist auch eine bewusste Hommage an die berühmte irische Designerin und Innenarchitektin Eileen Gray (1878–1976), die dem Grau ihren Namen gab, und an das Industriedesign im Allgemeinen, das eine bedeutende Inspirationsquelle der Künstlerin darstellt.
Eine weitere Besonderheit in Medarics Bildsprache ist ihre Auseinandersetzung mit dem Licht. Die Künstlerin beschreibt die repetitiven Streifen in "Repeating Fragment" als Formen, die wie Wellen oder Lichtstrahlen über die Wand fluten. Das Zusammenspiel des Lichts auf der Fassade mit den umgebenden Farben prägte den künstlerischen Arbeitsprozess. Der Lichteinfall in "Repeating Fragment" wirkte sich zwar nicht direkt auf die Formgestaltung aus – anders als in der Arbeit "Zigzag" (2013) im Treppenhaus der Sekundarschule Theobald Baerwart in Basel: Das Sonnenlicht trifft dort durch die Fenster auf die von Medaric bespielten Wände und beeinflusste somit die Entwicklung der Formgebung unmittelbar. Dennoch inspirierte das Licht die Künstlerin auch in der Kartause. Wer das Kunstwerk an einem sonnigen Morgen, in der hellen Mittagssonne, bei bewölktem Himmel oder im Dämmerlicht betrachtet, kann das changierende Farbspiel der Grau- und Weisstöne beobachten. Dadurch wird die Malerei auf harmonische Weise in den räumlichen Kontext integriert.
Die Unterteilung des Bildes in Streifen ist eine Gestaltungsweise, die Medaric nicht zum ersten Mal anwendete. Das Ordnen von Flächen anhand einer geometrischen Struktur zieht sich wie ein roter Faden durch ihr künstlerisches Œuvre. Aus einer Grundform heraus ein Muster zu generieren, ist ihr persönliches Markenzeichen. Was auf den ersten Blick als nüchternes Schema erscheint, erweist sich als individuelle Gestaltung.
Die einfache Geometrie des Rechtecks nimmt nicht nur Bezug auf die grauen Einfassungen in der Architektur der Kartause, sondern ist auch eine Annäherung an das Kloster als Ort der Stille. Die Schlichtheit, die rechten Winkel und die Repetition der Form verbindet Medaric mit Ruhe und Ausgewogenheit: "Vielleicht kann gerade in diesem Punkt eine Parallele zu einem Mönchsleben gesehen werden."
Medarics persönliche Note zeigt sich ebenfalls in der geometrischen Ordnung, die die Bahnen eines jeden einzelnen Streifens lenkt. Die Künstlerin ist fasziniert von diesem Gestaltungsprinzip: "Die geometrischen Formen sind für mich überall in unserer Welt zu finden: in Logos, auf Strassenschildern, auf Fassaden, in den Strukturen von Gartenzäunen usw. Reduzierte geometrische Formen erlauben mir, einen kleinen Ausschnitt unserer Welt abzubilden und aufzuzeigen, wie präsent Geometrie im Alltag ist. Menschen versuchen schon lange, die Welt durch Systeme zu interpretieren und zu ordnen. Dies ist ein Versuch, die Welt auf eine einfachere Weise zu verstehen und Zusammenhänge auf eine andere Art sichtbar zu machen. Ich glaube, dies hat einen Einfluss auf meine Arbeit, bzw. die Ordnung findet oft durch geometrische Formen statt, welche mich inspirieren."
Trotz der klar geordneten Bildstruktur erzeugt "Repeating Fragment" eine Spannung. Der Verlauf der Streifen erlaubt keine Begrenzungen, führt in die Unendlichkeit. Die Malerei lässt sich nicht durch ihren Träger einschränken und behauptet sich eigenwillig bis hinauf zum First. Die Grundform der rechteckigen grauen Umrahmung als Wiedererkennungszeichen der Architektur wird zum Protagonisten des Bildgeschehens.
Medarics Werk birgt in vielerlei Hinsichten Verbindungen zur Kartause Ittingen. Es kann einerseits als Verweis auf die heutige Funktion der Mönchszelle als Ausstellungsraum für zeitgenössische und moderne Kunst verstanden werden. Es erinnert andererseits auch an den Grundriss der Kartause, der vom Kreuzgarten über die Mönchszellen bis hin zu den Schutzmauern des Klosters wiederholende rechteckige Gebäudeteile aufweist. Wie in einem Plan kann in "Repeating Fragment" die Ordnung der dahinterliegenden Architektur gelesen werden.
Die Künstlerin schuf eine präzis durchdachte Arbeit, mit der sie die Kunstgeschichte fortschreibt. Es ist eine zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Medium der Malerei, die bekannte Fragen auf neue Art stellt.
Quelle: Interview mit Almira Medaric vom 10. September 2020
Hier ein Bericht über die Werkentstehung von arttv.ch:

 

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