Messmer, Dorothee
Endlager Museum?
Museen und Künstlernachlässe
Der Text erscheint in: "Künstlernachlässe", (Schweizer Kunst, 02.07/01.08), hrsg. VISARTE Schweiz, Zürich 26.10.07 Mit der wachsenden Zahl von Kunstschaffenden wächst auch die Zahl der Nachlässe. Museen sehen sich zunehmend mit der Frage konfrontiert, wie mit diesen Konvoluten umzugehen ist, sei es mit Anfragen für Support, Übernahmeangeboten oder Schenkungen. Dabei verfügt ein Grossteil der Kulturinstitutionen über zuwenig Ressourcen, um Werke von Künstlerinnen und Künstlern in ihre Sammlung aufzunehmen, geschweige denn ein ganzes Lebenswerk aufzuarbeiten. Ihre Reaktionen sind denn auch höchst unterschiedlich. Einige lehnen Anfragen von Kunstschaffenden von vorneherein ab, andere haben Strategien entwickelt, deren Bandbreite sich von fachlicher Unterstützung, über Aufnahmen einzelner Werke in die Sammlung bis zu vollständigen Aufarbeitungen einzelner Nachlässe erstreckt.
Ein Museum wird nach dem Internationalen Museumsrat ICOM (1986) definiert als „eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“. Ihr gemeinnützige Zweck und die nichtkommerzielle Struktur macht die Institutionen in den Augen vieler zu bevorzugten Anlaufstellen, wenn es darum geht, die Hinterlassenschaften eines verstorbenen Kunstschaffenden sinnvoll zu platzieren.
Im Zentrum der musealen Aufgaben stehen die drei Hauptbereiche Sammeln, Forschen und Ausstellen, die aus einer rund zweihundertjährigen historischen Tradition erwachsen sind. In den letzten Jahrzehnten hat sich unsere Gesellschaft jedoch grundlegend verändert. Die rasante Modernisierung geht einher mit einem explodierenden Wachstum materieller Kulturgüter. Im Zeitalter der „Wegwerfgesellschaft“ gewinnt das Entsorgen von Materialien zunehmend an Gewicht, und das Sammeln von Objekten wird mehr und mehr zur Sinnfrage, in deren Zusammenhang ästhetische und ökonomische Aspekte einander gegenübergestellt werden: Da gilt es genau abzuwägen: Macht es Sinn, gerade dieses Objekt zu bewahren? Welchen Wert stellt es dar? Wie viel Platz benötigt es? Und wie viele Ressourcen sind nötig, um seinen Wert langfristig zu bewahren? Auch die Museen müssen sich diesen Fragen in zunehmendem Masse stellen. Als öffentliche Institutionen sind sie dem Wohle der Gesellschaft verpflichtet. Aber ihre Ressourcen sind begrenzt.
Ihre Sammlungstätigkeit erfolgt heute zielgerichtet und meist nach einem Sammlungskonzept. Der Erwerb neuer Objekte dient der Erweiterung, Zusammenführung und Ergänzung der bestehenden Sammlungsbereiche. Ist der Entscheid einmal gefallen, Objekte ins Museum einzugliedern, zieht dies viel Arbeit mit sich, die nicht nur das Vorbeugen, Konservieren und Restaurieren der Objekte mit einschliesst, sondern auch deren sachgerechte Behandlung, ihre fachgerechte Lagerung und Pflege sowie die wissenschaftliche Bearbeitung – ein Unterfangen, das mit grossen Kosten verbunden ist.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass viele Museen auf Schenkungsangebote von Nachlässen - sofern das Werk, bzw. der Künstler nicht von herausragender kunsthistorischer Bedeutung ist - oft nicht gerade erfreut reagieren. Nachlässe beinhalten nebst Werkbeständen meist auch Skizzen und Vorlagen, Dokumente, Briefschaften und bibliographische Materialien. Die Einbindung eines derart vielschichtigen Konvoluts in eine Sammlung ist für viele Institutionen ein Risiko und mit einem finanziellen, infrastrukturellen und technischen Aufwand verbunden, der mit der Sichtung des Umfanges erst seinen Anfang nimmt. Einen Nachlass entgegenzunehmen heisst, ihn aufzuarbeiten. Dies bedeutet die Finanzierung einer Arbeitskraft, die Bereitstellung räumlicher Ressourcen und den nötigen Freiraum für eine wissenschaftliche Auswertung.
Eine mündliche Umfrage unter Mitgliedern des Verbands ergab denn auch, dass viele Kunstmuseen Nachlässen kritisch gegenüberstehen. Viele Kollegen und Kolleginnen betrachten das Thema als heisses Eisen, obwohl Nachlässen als Quellenmaterial für kunsthistorische Forschungen generell eine hohe Wertschätzung entgegengebracht wird. Denn sie ermöglichen fundierte Fragestellungen und erlauben Interpretationen, die breit abgestützt sind.
Einige Mitglieder stellen fest, dass die Erben oft keinen objektiven Zugang zum Nachlass haben. Entweder werfen sie alles weg, oder sie treten mit viel zu hohen Forderungen an die Museen heran. Es entstehen emotional aufgeladene Situationen, in denen „man es als Kurator nur falsch machen kann“, wie ein Kollege kritisch bemerkte. Dies hängt sicherlich auch mit dem Umstand zusammen, dass die Beziehung der Erben zum Verstorbenen meist sehr eng ist und der nötige Abstand fehlt, um die Bedeutung eines Nachlasses angemessen einschätzen zu können.
Viele Kollegen bedauerten auch die Einstellung der Erben, der Institution den Nachlass (nur) als Ganzes vermachen zu wollen. Viele Museen sind nicht an Nachläsen, aber an kleinen, aber repräsentativen Werkgruppen von Kunstschaffenden aus der Region interessiert. Und gerade für kleinere Museen, die über wenig Ressourcen verfügen, bedeuten Schenkungen oder Erbwerbungen aus Nachlässen die Möglichkeit, ihre Sammlung mit repräsentativen Werken eines Künstlers aus der Region zu erweitern. Deshalb würde es oft mehr Sinn machen, gemeinsam mit den Museumsverantwortlichen einzelne signifikante Werke aus dem Gesamtwerk auszuwählen und sie der Institution zu vermachen. Damit wird auch ein Beitrag zur langfristigen Werterhaltung des künstlerischen Oeuvres geleistet.
Der Optimalfall wäre, da sind sich die meisten Mitglieder einig, das die Künstlerin, bzw. der Künstler sein Lebenswerk selbst ordnet und wertet und das Nötige vom Unnötigen trennt. Es ist nicht die Kernaufgabe eines Museums, die Hinterlassenschaft eines verstorbenen Künstlers auszuwerten. Vielmehr sollten die Kunstschaffenden sich darüber Gedanken machen, wie die Erben mit ihrem Werk verfahren, damit es die Nachkommen nach dem Tod leichter haben, die nötigen Schritte zu veranlassen. Die Museumsverantwortlichen können als Fachleute in diesem Prozess allenfalls beratend ihren Beitrag leisten.
Ein Museum wird nach dem Internationalen Museumsrat ICOM (1986) definiert als „eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt“. Ihr gemeinnützige Zweck und die nichtkommerzielle Struktur macht die Institutionen in den Augen vieler zu bevorzugten Anlaufstellen, wenn es darum geht, die Hinterlassenschaften eines verstorbenen Kunstschaffenden sinnvoll zu platzieren.
Im Zentrum der musealen Aufgaben stehen die drei Hauptbereiche Sammeln, Forschen und Ausstellen, die aus einer rund zweihundertjährigen historischen Tradition erwachsen sind. In den letzten Jahrzehnten hat sich unsere Gesellschaft jedoch grundlegend verändert. Die rasante Modernisierung geht einher mit einem explodierenden Wachstum materieller Kulturgüter. Im Zeitalter der „Wegwerfgesellschaft“ gewinnt das Entsorgen von Materialien zunehmend an Gewicht, und das Sammeln von Objekten wird mehr und mehr zur Sinnfrage, in deren Zusammenhang ästhetische und ökonomische Aspekte einander gegenübergestellt werden: Da gilt es genau abzuwägen: Macht es Sinn, gerade dieses Objekt zu bewahren? Welchen Wert stellt es dar? Wie viel Platz benötigt es? Und wie viele Ressourcen sind nötig, um seinen Wert langfristig zu bewahren? Auch die Museen müssen sich diesen Fragen in zunehmendem Masse stellen. Als öffentliche Institutionen sind sie dem Wohle der Gesellschaft verpflichtet. Aber ihre Ressourcen sind begrenzt.
Ihre Sammlungstätigkeit erfolgt heute zielgerichtet und meist nach einem Sammlungskonzept. Der Erwerb neuer Objekte dient der Erweiterung, Zusammenführung und Ergänzung der bestehenden Sammlungsbereiche. Ist der Entscheid einmal gefallen, Objekte ins Museum einzugliedern, zieht dies viel Arbeit mit sich, die nicht nur das Vorbeugen, Konservieren und Restaurieren der Objekte mit einschliesst, sondern auch deren sachgerechte Behandlung, ihre fachgerechte Lagerung und Pflege sowie die wissenschaftliche Bearbeitung – ein Unterfangen, das mit grossen Kosten verbunden ist.
Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass viele Museen auf Schenkungsangebote von Nachlässen - sofern das Werk, bzw. der Künstler nicht von herausragender kunsthistorischer Bedeutung ist - oft nicht gerade erfreut reagieren. Nachlässe beinhalten nebst Werkbeständen meist auch Skizzen und Vorlagen, Dokumente, Briefschaften und bibliographische Materialien. Die Einbindung eines derart vielschichtigen Konvoluts in eine Sammlung ist für viele Institutionen ein Risiko und mit einem finanziellen, infrastrukturellen und technischen Aufwand verbunden, der mit der Sichtung des Umfanges erst seinen Anfang nimmt. Einen Nachlass entgegenzunehmen heisst, ihn aufzuarbeiten. Dies bedeutet die Finanzierung einer Arbeitskraft, die Bereitstellung räumlicher Ressourcen und den nötigen Freiraum für eine wissenschaftliche Auswertung.
Eine mündliche Umfrage unter Mitgliedern des Verbands ergab denn auch, dass viele Kunstmuseen Nachlässen kritisch gegenüberstehen. Viele Kollegen und Kolleginnen betrachten das Thema als heisses Eisen, obwohl Nachlässen als Quellenmaterial für kunsthistorische Forschungen generell eine hohe Wertschätzung entgegengebracht wird. Denn sie ermöglichen fundierte Fragestellungen und erlauben Interpretationen, die breit abgestützt sind.
Einige Mitglieder stellen fest, dass die Erben oft keinen objektiven Zugang zum Nachlass haben. Entweder werfen sie alles weg, oder sie treten mit viel zu hohen Forderungen an die Museen heran. Es entstehen emotional aufgeladene Situationen, in denen „man es als Kurator nur falsch machen kann“, wie ein Kollege kritisch bemerkte. Dies hängt sicherlich auch mit dem Umstand zusammen, dass die Beziehung der Erben zum Verstorbenen meist sehr eng ist und der nötige Abstand fehlt, um die Bedeutung eines Nachlasses angemessen einschätzen zu können.
Viele Kollegen bedauerten auch die Einstellung der Erben, der Institution den Nachlass (nur) als Ganzes vermachen zu wollen. Viele Museen sind nicht an Nachläsen, aber an kleinen, aber repräsentativen Werkgruppen von Kunstschaffenden aus der Region interessiert. Und gerade für kleinere Museen, die über wenig Ressourcen verfügen, bedeuten Schenkungen oder Erbwerbungen aus Nachlässen die Möglichkeit, ihre Sammlung mit repräsentativen Werken eines Künstlers aus der Region zu erweitern. Deshalb würde es oft mehr Sinn machen, gemeinsam mit den Museumsverantwortlichen einzelne signifikante Werke aus dem Gesamtwerk auszuwählen und sie der Institution zu vermachen. Damit wird auch ein Beitrag zur langfristigen Werterhaltung des künstlerischen Oeuvres geleistet.
Der Optimalfall wäre, da sind sich die meisten Mitglieder einig, das die Künstlerin, bzw. der Künstler sein Lebenswerk selbst ordnet und wertet und das Nötige vom Unnötigen trennt. Es ist nicht die Kernaufgabe eines Museums, die Hinterlassenschaft eines verstorbenen Künstlers auszuwerten. Vielmehr sollten die Kunstschaffenden sich darüber Gedanken machen, wie die Erben mit ihrem Werk verfahren, damit es die Nachkommen nach dem Tod leichter haben, die nötigen Schritte zu veranlassen. Die Museumsverantwortlichen können als Fachleute in diesem Prozess allenfalls beratend ihren Beitrag leisten.