Auf den Bildern von Annelies Štrba sind die Farben ausser Rand und Band. Die Bildmotive beginnen sich gleichsam in Farbe aufzulösen. Landschaften und Menschen, meist Frauen, zersetzen sich zu flimmernden Erscheinungen, bei denen jede Sicherheit der Wahrnehmung aufgehoben scheint. Die Konturen zerfliessen. Das Verhältnis von Vordergrund und Hintergrund wird diffus. Es ist offensichtlich: Die traditionellen Regeln der Bildkonstruktion und der Wahrnehmung greifen nicht mehr. Diese Auflösung von Konturen und Schärfe enthebt die schimmernden Bilder von ihrer Funktion als Abbilder von Wirklichkeit. Obwohl oft Fotografien als Grundlage der Bildfindungen dienen, ist die Verbindung zur abbildbaren Welt wie aufgehoben. Annelies Štrbas Werke sind mehr frei schwebende Wahrnehmungsstimulanzien denn Abbilder der Welt. Sie vermögen in unserem Hirn Vorstellungen zu erzeugen, die Träumen oder Erinnerungen gleichen und deren Beziehung zu der als real bezeichnenden Wirklichkeit eine unsichere bleibt. Seit einiger Zeit nutzt Annelies Štrba Madonnenbilder als Grundlagenmaterial für ihre Bildschöpfungen. Sie adaptiert und bearbeitet die Gemälde von alten Meistern den Möglichkeiten aktueller Bildbearbeitungsprogramme und erreicht dadurch eine stimmige Verbindung der Sinnlichkeit der traditionellen Malerei mit der Attraktivität der Ästhetik des 21. Jahrhunderts. Die romantische Gestimmtheit ihrer früheren Bilder erfährt durch das Zitieren des Madonnenmotivs eine Aufladung mit einem Anspruch auf Spiritualität. Diese Verbindung von Stimmungshaftigkeit und spirituellem Anspruch verwandelt die Kunstbetrachtung in einen Akt der Erleuchtung. Sehen – anschauen – wird zu einem Moment des absoluten Glücks, der Erfahrung von Transzendenz und Schönheit. Eine solche Wahrnehmungserfahrung kann durchaus als rauschhaft erfahren werden, wobei sich Rausch hier als ein Moment höchster Kultivierung der sinnlichen Erfahrung zeigt. Im Kontext der Kartause Ittingen, wo es eine lange Tradition der Auseinandersetzung mit Spiritualität gibt, produzieren die Bilder von Annelies Štrba eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage, wie in der heutigen Welt der Digitalisierung Spiritualität beschaffen sein kann und in welchen Bildern sie einen zeitgemässen Ausdruck finden kann.
