Direkt zum Inhalt springen
  • Drucken
  • Sitemap
  • Schriftgrösse

Wölfli, Adolf (1864 – 1930)

Adolf Wölfli stammte aus einfachsten Verhältnissen. Als junger Mann verdiente er seinen Lebensunterhalt als Knecht und Handlanger, kam wegen Notzuchtversuchen mit dem Gesetz in Konflikt und wurde 1895 dauerhaft in die psychiatrische Klinik Waldau eingewiesen. Hier begann er zu zeichnen und entwickelte bis zu seinem Tod 1930 in Heften und Hunderten von Einzelblättern ein einzigartiges Bilderuniversum. Insgesamt umfasst sein Werk über 25 000 Seiten in selbst gebundenen Büchern und Heften. Wölfli, der sich als Schreiber, Dichter, Zeichner und Komponist verstand, hat sein unablässiges Schaffen in fünf Teile gegliedert: Als Erstes entstand eine Autobiografie mit dem Titel Von der Wiege bis zum Graab, in der sich Berichte seines Lebens und fiktive Reisebeschreibungen wild mischen.
Zwischen 1912 und 1916 schuf er Geographische und allgebräische Hefte, ab 1917 Hefte mit Liedern und Tänzen sowie Allbumm-Hefte mit Musikstücken. Mit dem Trauermarsch, der unvollendet blieb, versuchte der Künstler sein Lebenswerk zu krönen.
Als Walter Morgenthaler 1913 seine Arbeit als Arzt in der Klinik Waldau aufnahm, fiel ihm das Schaffen von Wölfli auf. Morgenthaler interessierte sich im Allgemeinen für Bilder und Texte seiner Patienten und legte während seiner Tätigkeit in der Klinik bis 1920 eine vielfältige Sammlung an, die aus über 4000 Objekten bestand. Wölfli war in diesem Kontext der wohl auffälligste Patient, nicht nur wegen seiner uferlosen Bildproduktion, sondern auch, weil sich hier ein Werkkörper von grosser Komplexität offenbarte. 1921 würdigte Morgenthaler diese Ausnahmeerscheinung in der Publikation Adolf Wölfli. Ein Geisteskranker als Künstler. Das Buch machte das aussergewöhnliche Schaffen des Patienten breiteren Kreisen bekannt, wobei Avantgardekünstler und Schriftsteller wie Rainer Maria Rilke sich bewundernd äusserten. Auch der Heidelberger Arzt Hans Prinzhorn bildete ein Blatt Wölflis in seinem 1922 erschienenen Buch Bildnerei der Geisteskranken ab, und nach dem Zweiten Weltkrieg erwarb Jean Dubuffet bei einem Besuch in der Waldau Werke von Wölfli für seine Collection de l’Art Brut. Nachdem Harald Szeemann 1972 eine repräsentative Auswahl von Wölflis Arbeiten in der international bedeutenden documenta 5 in Kassel einbezogen hatte, war das Schaffen des Aussenseiters endgültig im Zentrum des zeitgenössischen Kunstdiskurses angekommen. Mit der Überführung von Wölflis Arbeiten in eine im Kunstmuseum Bern domizilierte Stiftung begann eine reiche Publikations- und Ausstellungstätigkeit, die das Werk des ehemaligen Patienten in der ganzen Welt bekannt machte.
Bis heute verkörpert Wölfli den Inbegriff des Aussenseiterkünstlers. Zu Lebzeiten Wölflis verstiess sein bildnerisches Universum gegen alle Konventionen der Kunst. Es missachtete die Grenzen zwischen den Gattungen, entwickelte in extremer Selbstbezogenheit eine ausufernde Weltbeschreibung und nahm künstlerische Strategien vorweg, die in der Zwischenkriegszeit und nach dem Zweiten Weltkrieg von den Avantgardekünstlerinnen und -künstlern für die eigene Arbeit entdeckt wurden. Wölflis nonkonformistische Praxis des künstlerischen Schaffens als umfassend angelegte Mal-, Schreib- und Kompositionsarbeit wirkte als anregendes Modell für eine alternative Vorstellung von Kunst. Sein Vorgehen nahm Positionen wie die Schreibzeichnungen der Konzeptkünstlerin Hanne Darboven
vorweg, und seine überbordenden Erzählungen können als Prototyp der individuellen Mythologien gelten, wie sie ab den 1970er-Jahren auf unterschiedlichste Art und Weise realisiert wurden.

Ausstellungen

Werke

Links