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Helen Dahm: Paradiestraum

Dahm_Paradies
Helen Dahm: Paradiestraum, 1961, Öl auf Leinwand, 100 x 100,5 cm

Herstellungsjahr: 1961

Technik: Öl auf Leinwand

Masse: 100 x 100,5 cm

Helen Dahms Gemälde „Paradiestraum“ wird von einem kreuzartigen Weg dominiert, der im Zentrum zusammenläuft und an allen vier Seiten über den Bildrand hinausführt. Eine blau gekleidete Gestalt steht kurz vor dem Kreuzungspunkt.

Auf zugängliche und eigenständige Art thematisiert Helen Dahms „Paradiestraum“ das traditionelle Motiv der „Entscheidung am Scheideweg“, das seinen Ursprung im griechischen Mythos „Die Wahl des Herakles“ hat. Dort muss sich Herakles zwischen einem lasterhaften und einem tugendhaften Lebensweg entscheiden. Welchen Weg wird unsere Figur einschlagen, für welchen Weg wird sie sich entscheiden? Der Weg, den sie geht, wird so zu ihrem Lebensweg, der immer wieder die Richtung ändert. Die Wegkreuzung steht im übertragenen Sinn für die unzähligen Entscheidungen, die wir täglich im Leben treffen müssen.

Auf einer zweiten Bedeutungsebene weckt der gekreuzte Weg Assoziationen an einen Klosterkreuzgarten. Das Bild knüpft damit an das Bildmotiv des Hortus conclusus an; dem geschlossenen, geheimen Garten, der das irdische Paradies repräsentiert. Der Hortus conclusus ist eine Interpretation des Hohen Liedes im Alten Testament. Dort heisst es: „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell“. Der irdische Paradiesgarten ist eine Metapher für die Jungfrau Maria und steht für die ideale, keusche Frau. Dazu passen auch die Lilien im Bild als Marienzeichen der Unbeflecktheit. Zeigt die blaue Gestalt im Bild Maria, ist es eine Nonne in ihrem Habit oder ist es gar Helen Dahm selbst?

Das Gemälde verweist ausserdem noch auf das biblische Motiv von Christus im Garten Gethsemane. Nach dem letzten Abendmahl, in Erwartung an seinen schmerzvollen Tod, zieht sich Christus in den Garten Gethsemane zurück, um Kraft zu suchen. Christus bittet seine Jünger mit ihm zu wachen; jedes Mal, wenn er jedoch vom Beten zu den Jüngern zurückkehrt, findet er seine Jünger schlafend vor. Diese Erzählung handelt vom Alleinsein oder auch vom Alleingelassen sein angesichts des Todes und der seelischen Not. Auch die Gestalt im Bild wandelt allein auf ihrem Weg und befindet sich allein mit sich und dem Kreuz – christliches Symbol für die Beziehung von Gott und dem Menschen. Der Titel „Paradiestraum“ verweist auf Dahms Traum vom Paradies, ihrer Vision in der christlichen Religion. Dahms Suche nach Spiritualität zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben.

Diese hohe Emotionalität von den Bedeutungsinhalten des Bildes wird auch durch die Malweise transportiert. Der Kreuzweg wird flankiert von Bäumen, dessen Baumstämme Helen Dahm direkt mit den Fingern gemalt hat, was dem Bild eine starke Ausdruckskraft und Unmittelbarkeit verleiht. Die Nähe zur Künstlerin wird so quasi spürbar.

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