Mina und Josef John: Meine Freunde, die ungelernten Meister
26. März 2000 – 24. September 2000
bestaunt, belächelt, verkannt
"Bestaunt, belächelt, verkannt": Diese drei Begriffe fassen unsere Reaktion gegenüber den Aussenseitern und ihrem Schaffen treffend zusammen. Bestaunt werden die Werke ihrer Expressivität, Authentizität und Originalität wegen. Belächelt, weil die Schöpfer in ihrer Wesensart als "nicht ernstzunehmende Gestalten", ja gar als Spinner abgetan werden. Verkannt, nicht zuletzt von den Fachleuten, da sie "nur" ungelernte Maler sind, deren Werke oft von einer unverfälscht kindlichen und naiven Handschrift geprägt werden. Und doch vermögen die Werke von Aussenseiter immer wieder zu faszinieren.Mina und Josef John haben sich früh von dieser Faszination mitreissen lassen und begonnen, Werke von Aussenseitern zu sammeln. Über Jahrzehnte hinweg haben sie Hunderte, wenn nicht Tausende von Bilder und Plastiken von Aussenseitern aus der ganzen Welt zusammengetragen. Nicht primär die Kunst haben sie gesucht sondern die Begegnung mit Persönlichkeiten und intensiven Bildern. Die Freundschaft mit oft schwierigen Menschen und die Offenheit für das Aussergewöhnliche bildeten den Kern ihrer Sammlungstätigkeit. Manche der Aussenseiterkünstlerinnen und -künstler aus der Ostschweiz haben sie entdeckt und über Jahre hinweg begleitet und gefördert. In ihrer Sammlung finden sich so manche Hauptwerke von Künstlerinnen und Künstlern, die in den letzten Jahren nicht zuletzt wegen Johns Vermittlungstätigkeit weit über die Schweiz hinaus bekannt geworden sind.
Die Sammlung Mina und Josef John zeichnet sich durch eine reiche Vielfalt aus: Die naiven Maler Emil Graf und Heinrich Bleiker entführen in ihren Bildern in die heile Welt des dörflichen oder kleinstädtischen Lebens. Alois Wey baut Traumpaläste von unerhörter Kühnheit. Paul Kupschina und Alfred Leuzinger malen auf je eigene Art und Weise Architekturbilder, während Hedy Zuber, die kleinwüchsige Näherin, und Jakob Greuter, der Kübelleerer von St.Gallen, ihre eigene Welterfahrung zu faszinierenden Bildern gestalten. Ebenso sind in der Sammlung die religiösen Visionen von Elisabeth Bourquin, die biblischen Themen von Anny Boxler oder aber die bildnerischen Erzählungen eigener visionärer Erfahrungen von Pietro Angelozzi vertreten. Der Kern von Künstlerinnen und Künstlern aus der Ostschweiz wird ergänzt durch herausragende Arbeiten von Aussenseitern aus der ganzen Welt wie Gill Madge, André Robillard oder Scotti Wilson.
Unbeeinflusst von den Regeln der Kunst nutzen Aussenseiter die bildnerischen Ausdrucksformen, um ihre eigene Sicht der Welt festzuhalten. Aussenseiter leben ausserhalb der Konventionen. Sie formulieren ungesicherte, gefährdete Positionen am Rande der Gesellschaft. Die Gründe dafür können vielfältig sein: eine Behinderung, Unfähigkeit zur Anpassung oder vielleicht gar besondere Begabungen. Ob unspektakuläre Alltagsdarstellungen oder visionäres Schreckensbild, immer wieder erlauben uns Werke von Aussenseitern Einblicke in manchmal fremdartige, manchmal berührende, immer aber faszinierende Weltentwürfe. Wir tauchen ein in fremde Welten voller Absonderlichkeiten, Sehnsucht und Emotionalität. Durch ihr Draussenstehen sehen Aussenseiter die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Es ist die gleiche Welt, in der wir leben, wahrgenommen aber unter anderen Voraussetzungen, aus einer anderen Distanz, einem anderen Blickwinkel: Unsere Welt anders gesehen.
Das Kunstmuseum des Kantons Thurgau ist im deutschsprachigen Gebiet eines der wenigen Museen, das eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit Kunst von Aussenseitern betreibt. Ausgehend von bedeutenden Werkbeständen von Adolf Dietrich, Hans Krüsi sowie französischen und deutschen Naiven werden regelmässig Ausstellungen mit Aussenseiterkunst gezeigt, die überregionale Aufmerksamkeit auf sich ziehen.