Cécile Hummel: Contrapunctum
5. Juni 2009 – 12. Dezember 2009
Eine Ausstellung mit der Trägerin des Berliner Kulturstipendiums der Thurgauer Wirtschaft
Cécile Hummel wurde 2008 mit dem 3. Berliner Kulturstipendium der Thurgauer Wirtschaft ausgezeichnet und lebte während sechs Monaten in der deutschen Hauptstadt. Die Ausstellung „Contrapunctum“ fasst die Bildrecherchen zusammen, die in dieser Zeit sowie in den letzten Jahren entstanden sind, und gibt einen repräsentativen Einblick in die Bilderwelt der Künstlerin.Die in Gottlieben aufgewachsene Künstlerin arbeitet seit Jahren im Spannungsfeld von Fotografie und Zeichnung. Die subjektive Erfahrung des Zeichnens prägt ihr Fotografieren ebenso, wie die Möglichkeiten des technischen Mediums auf ihre Zeichnungen zurückwirken. Zeichnung und Fotografie öffnen je unterschiedliche Ausdrucksmöglichkeiten. Die Fotografie ist ein Abbildungsmedium. Sie wird gemeinhin als Instrument der Dokumentation genutzt und dient oft dazu, eine Situation schnell, detailreich und genau festzuhalten. Zeichnung und Skizze bleiben dagegen eher summarisch. Sie zerlegen die Wirklichkeit und ordnen sie neu zu einer wohl organisierten Aufzeichnung. Eine Zeichnung ist mehr als eine Abbildung der Wirklichkeit. Beim Zeichnen wirken Vorstellung, Erinnerung und Anschauung vielmehr eng zusammen und erzeugen ein neues Bild.
Cécile Hummel nutzt die unterschiedlichen Möglichkeiten der Medien gleichzeitig, um ihre Bildrecherchen voranzutreiben. Auf Reisen entstehen oft Fotografien, nicht von den berühmten Sehenswürdigkeiten, sondern eher von den Situationen daneben. Parallel zu diesen eigenen Reisebildern arbeitet die Künstlerin an einer Analyse von historischen Reisefotografien. Auf Bildern von Sehenswürdigkeiten in alten Büchern sucht und entdeckt sie Merkwürdigkeiten, kleine Nebenszenen, die sie durch das Abdecken des Hauptmotivs noch hervorhebt. Sie lenkt dadurch die Aufmerksamkeit vom Hauptmotiv ab, hin zum Kontrapunkt des Bildes, wo sich aber oft das eigentliche Leben abzuspielen scheint. Das eigene Fotografieren wird so ständig begleitet von einem analytischen Betrachten und Neubewerten bestehender Bilder.
Neben den Fotografien entstehen Zeichnungen und Skizzen. Um einen fremden Ort zu erschliessen, bewegt sich die Künstlerin gerne zeichnend durch die Stadt. Aus Berlin brachte sie so mehrere Skizzenhefte zurück, mit deren Hilfe sie zuerst die temporäre Wohnung, dann die Potsdamerstrasse, später Museen mit ihren Objekten und Vitrinen erkundet hatte. Das Skizzieren ist eine bewusst eingesetzte Konzentrationsübung. „Man kann nicht gleichzeitig schauen und zeichnen“, meint Cécile Hummel. „Beim Skizzieren kann der Blick nicht mehr frei den vielen kleinen und grossen Bewegungen der Dinge in der Stadt folgen. Er ist vielmehr gezwungen, sich immer wieder an einen ruhigen Gegenstand zu heften und dessen Konturen und Oberflächen sorgfältig nachzufahren.“ Während in den Skizzenheften die Bindung an die Wirklichkeit noch sehr eng ist, löst sich diese in den Pinselzeichnungen immer mehr auf. Diese Zeichnungen sind vielmehr Instrumente der Erinnerung und der Erfindung als eine Aufzeichnung. Hier entstehen – ausgehend von einmal gesehenen Möbeln, Lampen oder anderen Gegenständen – scheinbar frei gestaltete Formwelten, die manchmal mehr, manchmal weniger an bestimmte Dinge aus der Wirklichkeit erinnern.
Unabhängig von den verwendeten Ausdrucksmitteln geht es Cécile Hummel immer um ein Ziel. Die Künstlerin sucht nach neuen, überraschenden Bildern. Sie will anregen, den Blick schweifen zu lassen und dann neu zu fokussieren. Sie macht im Spannungsfeld von Abbild, Realität und Imagination neue, flüchtige Orte sichtbar und meint dazu selbst: „In der Differenz zwischen dem Idealbild und der aktuellen Wirklichkeit eröffnet sich ein neues Terrain, ein Wahrnehmungsfeld, in welchem neue Bedeutungen und Bilder entstehen können.“
In der Ausstellung „Contrapunctum“ kombiniert Cécile Hummel die verschiedenen Ausdrucksformen bewusst zu einer umfassenden Gesamtpräsentation. Sie stellt die Werke so zueinander, dass sich die Möglichkeiten der Medien ergänzen und gegenseitig befruchten.
Zur Ausstellung und als Dokumentation des Berliner Kulturstipendiums erscheint ein Faksimile eines Skizzenhefts, das 2008 in der deutschen Hauptstadt entstanden ist. Mit Texten von Markus Landert und Alex Bänninger, erhältlich im Kunstmuseum Thurgau für Fr. 15.00.
Das Berliner Kulturstipendium wird von der Thurgauer Wirtschaft seit 2004 ausgeschrieben. Mit dieser Initiative zeigt die Thurgauer Wirtschaft ihren Willen zu einem stärkeren kulturellen Engagement. Sie fördert kulturelle Aktivitäten, die innerhalb und ausserhalb des Kantons eine breite Resonanz auszulösen vermögen.
Parallel zur Ausstellung in Ittingen zeigt das Kunstmuseum Solothurn die Ausstellung „Cécile Hummel – Streiflichter“. 16. Mai bis 9. August 2009