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Olaf Nicolai: Mirador

18. Oktober 2009 – 11. April 2010

1Samani
Olaf Nicolai: Samani, 2009 im Grossen Ausstellungskeller. Fotografie Stefan Rohner
2Samani
Olaf Nicolai: Samani, 2009 im Grossen Ausstellungskeller. Fotografie Stefan Rohner
Z1_Skizze_MiradorSelkirk
Olaf Nicolai: Fotografische Studie zu "Mirador/Selkirk", 2009
Z6_Rodakis
Olaf Nicolai: Standbild aus dem Film "Rodakis", 2008
Z7_ONicolai_Rodakis_II
Olaf Nicolai: Standbild aus dem Film "Rodakis", 2008
Z8ONicolai_Rodakis_V
Olaf Nicolai: Standbild aus dem Film "Rodakis", 2008
Z9_Rodakis_KopfFrontal
Olaf Nicolai: Standbild aus dem Film "Rodakis", 2008

Rodakis - Selkirk - Samani

Die Ausstellung „Mirador“ zeigt die neuesten Arbeiten des international erfolgreichen deutschen Konzeptkünstlers Olaf Nicolai. Die Arbeit „Mirador/Selkirk“ hat der Künstler eigens für das Kunstmuseum Thurgau geschaffen, wo sie erstmals gezeigt wird. Sie bildet den Kern der Ausstellung und gibt ihr den Titel. Begleitet wird sie von der Installation "Topographie Ondulatoire/Modulaire" (2009). Daneben sind zwei Arbeiten aus dem Jahr 2008 zu sehen: der fiktive Dokumentarfilm „Rodakis“ und die Lichtinstallation „Samani. Some Proposals to Answer Important Questions“.

Der Titel der Ausstellung, „Mirador“(spanisch: Aussichtspunkt), spielt auf das zentrale Thema der Kunst an: das Sehen als Sinn der Ästhetik. Gleichzeitig ist „Mirador“ aber auch der Name des Aussichtspunktes auf der im Südpazifik gelegenen Insel Robinson Crusoe. Hier hatte der schottische Seefahrer Alexander Selkirk vier Jahre verbracht und Daniel Dafoe damit das Vorbild für seine Romanfigur Robinson Crusoe geliefert. Von der Anhöhe „Mirador de Selkirk“ hatte der Seemann täglich nach Schiffen Ausschau gehalten, die ihn retten.

Olaf Nicolai suchte die Insel im Südpazifik im April 2009 auf, um ein Foto zu schiessen, von dem ein einziger Abzug erstellt wurde. Dieser wird nun erstmals im Kunstmuseum Thurgau gezeigt. Alle Daten, die weitere Abzüge ermöglichen würden, sind bei einem Notar hinterlegt, mit der Auflage, keine weiteren Abzüge zu erlauben. Die Fotografie „Mirador/Selkirk“ ist und bleibt also ein Einzelstück, ein Original im wahrsten Sinn des Wortes. Der Einzelstückcharakter von „Mirador/Selkirk“ macht das Werk zur Ikone. Die Fotografie, normalerweise endlos reproduzierbar, erhält einen deutlich höheren Wert, ähnlich einem kostbaren Ölgemälde. Auf diese Weise stellt die Arbeit auch die Frage nach dem Wert und der Vergänglichkeit eines Kunstwerks.

Das zentrale Thema von „Mirador/Selkirk“ ist der Rückzug des Menschen in die Einsamkeit. Mit diesem Motiv bezieht sich Nicolai auf eine der wichtigsten Funktionen des ehemaligen Kartäuserklosters in Ittingen. Kartäuser verstehen ihr Kloster als „Wüste“, als Ort des Rückzugs und der Kontemplation, das ihnen ein Leben eines Eremiten ganz wie auf einer einsamen Insel ermöglicht. Die Zelle des Eremiten spricht ebenso wie die Vorstellung der „Robinson-Insel“ auf den Wunsch des modernen Menschen an, seinem Alltag für einige Zeit zu entfliehen. Tourismusbranche und Wellness-Industrie haben dieses Bedürfnis nach Rückzug und Ruhe längst erkannt und bieten neben der Reise auf die einsame Insel auch spirituelle Auszeiten in Klöstern und Tempeln an. Das Werk von Olaf Nicolai spielt mit den Darstellungselementen dieser Sehnsucht und versucht sie mit der nötigen Distanz gleichzeitig zu erfüllen.

Auch die Videoarbeit „Rodakis“ von 2008 spürt einem Mythos nach. Sie beschäftigt sich mit einem Haus auf der griechischen Insel Aegina, das einem ansonsten weitgehend unbekannten Alexis Rodakis zugeschrieben wird. Entdeckt wurde das Gebäude durch den griechischen Architekten Dimitris Pikionis, der Teil der modernen Bewegung um Le Corbusier war. Für die Moderne wurde das Gebäude zur Ikone der modernen Architektur. Das Haus verkörperte für sie jenes funktionale und authentische Bauen, das sie proklamierten. Die Tatsache, dass über Rodakis selbst so gut wie nichts bekannt ist, liess ihn zum Mythos werden. Olaf Nicolai tastet sich in seinem Film im Stile einer Dokumentation an diesen „Geist“ heran und verleiht ihm eine fiktive Identität. Er hinterfragt damit die Werte der Moderne ebenso wie die Mittel des Dokumentarfilms.

Mit „Samani. Some Proposals to Answer Important Questions“ (2008) fügt Nicolai dem historischen Charakter der zwei anderen Werke einen zeitgenössischen Aspekt hinzu. Ein computergesteuerter Scheinwerfer bewegt sich an einer Stange herauf und herunter und dreht sich um die eigene Achse. Die Bewegungen des Lichtes erinnern an die Choreografie einer Stripteasetänzerin an der Stange. Das Motorengeräusch lässt an einen ausser Kontrolle geratenen Roboter denken. Wie ein Suchscheinwerfer tastet sich das Licht durch den dunklen Raum. Auf der Suche nach einer Antwort auf die wichtigen Fragen, wie der Untertitel der Arbeit andeutet? Im abgedunkelten Keller des Kunstmuseums erzeugt der Scheinwerfer einen dramatischen und theatralischen Effekt und stellt in unmittelbarer Nähe zur barocken Klosterkirche die Frage nach der Wirkung und Verwendung von Licht damals und heute.

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