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Hodler, Ferdinand (1853 – 1918)

Ferdinand Hodler, "Selbstbildnis mit aufgerissenen Augen III", 1912

Erstgeborener Sohn des Tischlers Johann Hodler (1829–1860) und der Köchin Margaritha Neukomm (1828–1867). Jugendjahre in Bern bis 1859, anschliessend in La Chaux-de-Fonds, Tod des Vaters an Tuberkulose. 1861 Rückkehr der Familie nach Bern, Eheschliessung der Witwe Hodler mit Gottlieb Schüpbach (geboren 1814), der bis 1865 in Bern, danach in Steffisburg eine Malerwerkstatt führte und 1871 nach Boston auswanderte.
1868–1870 Lehre beim Vedutenmaler Ferdinand Sommer in Thun; 1872 Niederlassung in Genf; 1873–1877 Ausbildung als Freischüler bei Barthélemy Menn, der seit 1851 die Ecole de figure in Genf leitete. Durch Menn Abkehr von der Vedute, künstlerische Erweiterung zur lichterfüllten Landschaft, zum Figurenbild, zum Porträt, zum Tierbild, zur Kunsttheorie (Dürers Proportionslehre von 1528) und zur Geschichte der Kunst, Nachholen der Schulbildung und Besuch von Vorlesungen beim Geologen und Zoologen Carl Vogt (1817–1895).
Seit 1872 zahlreiche Selbstbildnisse (bis 1918) und vielfaches Einbringen des Porträts in Genre- und Historienbilder. 1875 bleibender Eindruck der Werke von Hans Holbein in der Basler Kunstsammlung, besonders vom “Toten Christus im Grab”, den Hodler ab 1876 in den zahlreichen Bildern von Toten und in den Zeichnungen und Gemälden der sterbenden Valentine Godé-Darel (1915) nachahmte. Vermutlich 1877 erste von zahlreichen Reisen nach Paris und Besuch des Louvre, beeindruckt vor allem von Andrea Mantegna, aber ohne Neugier für die zeitgenössische französische Malerei.
1878–1879 Aufenthalt in Madrid, Studium der Malerei der italienischen Renaissance und des französischen, flämischen und spanischen 17. Jahrhunderts im Prado.
Seit 1874 sehr intensive Beteiligung an regionalen und nationalen Ausstellungen, Ausschreibungen und Wettbewerben. 1875 erste Anerkennung in Genf mit einer Landschaft und 1876 mit dem Turnerbankett. 1881 Gehilfe von Edouard Castres bei der Herstellung des Bourbaki-Panoramas. 1890 erfolglose Teilnahme am Wettbewerb für die Aula der Eidgenössischen polytechnischen Schule (heute ETH) Zürich mit den Entwürfen Baukunst und Ingenieurkunst.
Hodler, erfüllt von unbedingtem und unduldsamem Ehrgeiz, empfindlich gegenüber jeder Kritik, anfällig auf Lob und abhängig von Zuspruch und Unterstützung, suchte den grossen Erfolg und die allgemeine Anerkennung mit Provokationen, Beziehungen, fanatischer Arbeit, unablässigen Ausstellungen und beliebiger Wiederholung von verkäuflichen Bildern. 1896 erfolglose Teilnahme am Wettbewerb für die Dekoration des Berner Rathauses, 1897 erster Preis (3000 Franken) für die Dekoration des Waffensaals im Landesmuseum in Zürich; der folgende intensivste und längste Kunststreit in der Schweiz wurde nach pausenlosen Umarbeitungen in zahlreichen Fassungen und grossen Kartons durch den Ausführungsbeschluss des Bundesrates 1899 entschieden. Für Vorarbeiten und Ausführung der Fresken erhielt Hodler 53000 Franken. Durch die Ankäufe vieler Sammler, die 1901 einsetzenden öffentlichen Erwerbungen (Kunstmuseum Bern) und die überaus zahlreichen Bildnisaufträge erlangte er zunächst finanzielle Unabhängigkeit, dann grossen Reichtum.
Laufendes Ansteigen der Erfolge in Deutschland bis 1914 und in Österreich, grosse Ausstellung an der XIX. Secession in Wien 1904 (Plakat von Hodler); danach entstanden zahlreiche gut verkäufliche Landschaften und Repliken von ausgestellten Bildern.
Hodler erhielt 1910 das Ehrendoktorat der Philosophischen Fakultät der Universität Basel und wurde 1913 zum Offizier der Légion d’Honneur ernannt. Nach seiner Unterschrift unter den Genfer Protest von 1914 gegen die Beschiessung der Kathedrale von Reims durch die deutsche Artillerie brachen die geschäftlichen und künstlerischen Beziehungen mit Deutschland ab, Hodler wurde als Verräter beschimpft, seine Werke aus den Museen verbannt.
1915 rastlose Aufzeichnung des Todeskampfes der Geliebten Valentine Godé-Darel. Zahlreiche Porträtaufträge und erneute Zuwendung zur Landschaftsmalerei mit Konzentration auf Licht und Farbe.
Viele Themen der Figurenbilder teilte Hodler mit den Malern, die den Geheimlehren und dem Symbolismus nahestanden und eine antinaturalistische Kunst wieder mit dem Geistigen, Unendlichen und Kosmischen in Verbindung bringen wollten. Trotzdem wehrte sich Hodler nicht zu Unrecht dagegen, als «Symbolist» bezeichnet zu werden. Die Figurenbilder sind von äusserster Einfachheit des Gedankens und der Komposition, sie sollen nicht ein geheimes Wissen sichtbar machen oder bedeuten, sondern ihren Sinn (zum Beispiel Tag, Empfindung, Unendlichkeit) durch die einfache Form, die Gesten, den Ausdruck und die rhythmische Verbindung der Figuren unmittelbar zeigen.
In der Landschaftsmalerei hatte Hodler sich nach Corot und Menn mit Farbe und Licht auf der Basis einer Harmonie von Grau beschäftigt und häufig geologische Motive aufgegriffen. Um 1890 versuchte Hodler, die Landschaften für mystische oder religiöse Bedeutungen zu nutzen, vermochte aber Figuren und Landschaft nicht mehr zusammenzubringen. Nach 1904 wollte er die Ordnungen der Natur durch die Symmetrie der Gipfel sichtbar machen oder plastisch dargestellte Berge durch Wolkenornamente oder durch auratische Lichtränder mystisch aufladen. In den Figurenbildern und den Bildnissen konzentrierte sich Hodler auf Linie und Plastizität. Die Farbe ging zwischen 1890 und 1915 kaum mehr eine Verbindung mit dem Licht ein. Hodler entdeckte diesen Mangel sehr spät und hoffte, ihn durch die paysages planétaires der letzten Jahre zu beseitigen. Tatsächlich handeln viele der letzten Genfersee-Landschaften von Licht und Farbe als einer neuen Entdeckung, und sie bilden insgesamt einen heiteren Schwanengesang.
Hodler hat wie kein anderer Künstler in der Schweiz vor ihm dazu beigetragen, die Malerei im kulturellen Bewusstsein zu verankern. Mit provokativen Bildern hat er mehrmals Kunstskandale und längere intensive Diskussionen hervorgerufen. Mit seinen internationalen Erfolgen, dem Aufstieg zum Begründer eines «nationalen Stils», den viele als autochthone Kunst begrüssten, und als Präsident der GSMBA, die zwischen 1910 und 1940 zu einer mächtigen Institution ausgebaut wurde, erlangte Hodler den Status des führenden Künstlers in der Schweiz. In vielen Selbstbildnissen erkundete Hodler unterschiedliche Rollen des Künstlers, etwa als Zorniger oder als Triumphator oder als Zweifler. International blieb er ein Einzelgänger trotz seinen Verbindungen nach Paris und zu den Sezessionen von Wien und Berlin. Hodler begründete weder eine Kunstbewegung noch eine nationale Schule, die über das Epigonentum hinausgekommen wäre. Doch die Zunahme von öffentlichen Aufträgen für Wandbilder, vor allem zwischen 1920 und 1940, muss als Auswirkung von Hodlers Position und seiner allgemeinen Anerkennung durch die Retrospektive von Zürich 1917 erkannt werden. Für viele wichtige Kunstsammler in der Schweiz bildeten seine Werke ein Zentrum. Hodler hat etwa 2000 Gemälde und etwa 10000 Zeichnungen geschaffen.
Nach: Sikart, Oskar Bätschmann, 2008, aktualisiert 2017

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