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Theo: Ein Grenzgänger

25. Mai 2003 – 17. August 2003

9Wecker
Theo: Wecker © Robert Küppers, München
8JesusaufdemSee
Theo: Jesus am See Genezaret © Robert Küppers, München
1KarlderGrosse
Theo: Karl der Grosse © Robert Küppers, München
2Erhard
Theo: Bundeskanzler Ludwig Erhard © Robert Küppers, München
3Bismarck
Theo: Otto von Bismarck © Robert Küppers, München
9HaenselundGretel
Theo: Hänsel und Gretel © Robert Küppers, München
5Hitler
Theo: Männer im 3.3.3. Reicb AaTolF HitLer, 1988, Aquarell- und Bleistift auf Butterbrotpapier, 37.5 x 25.5 cm, © Robert Küppers, München
4Hitler
Theo: Adolf Hitler © Robert Küppers, München

Retrospektive

Theo gestaltete Motive aus der Bibel, aus Märchen und aus der Geschichte. Er übersetzte allerdings die traditionellen Darstellungen von Bibelszenen oder Märchenillustrationen in eine eigenwillige Ausdrucksform. Seine Verwendung von prägnanten Farben und Linien, sein Hang zum Ornamentalen und Erzählerischen führte zu Bildwerken von grosser Ausdruckskraft. Theos bis zur letzten Ecke gefüllte Blätter lassen die urtümliche Lust nachvollziehen, die einhergeht mit dem Setzen von Zeichen, dem Fliessenlassen von Linien. Seine überfüllten Szenerien, die immer wieder in ein wirres Gekritzel und Geschreibsel übergehen können, strahlen eine geradezu magische Aufladung aus. Gleichzeitig verweisen die Heiligenbilder auf Riten und Glaubenstiefen, die in den kommerzialisierten Bilderwelten der Werbung und Unterhaltungsindustrie längst verloren gegangen sind.

Das unbestritten grösste und wichtigste Werkkonvolut von Theo besteht aus historischen Porträtdarstellung, die wiederum dominiert werden durch Männer aus dem Dritten Reich. Wie getrieben von einem unbekannten Zwang hat der Sonderling neben Karl dem Grossen oder Helmut Kohl hundertfach Hitler, Göring und Konsorten bildnerisch dargestellt. Es sind nicht eigentliche Porträts, mehr maskenhafte Fratzen, deren Gesichter sich nicht wesentlich von jenen der Heiligen und Märchenfiguren unterscheiden. Ihre Zuordnung ist weniger durch eine physiognomische Ähnlichkeit mit ihren Vorbildern als durch die Beigabe von eindeutigen Attributen wie Hakenkreuzfahnen und militärischen Orden sowie durch die sorgfältige Beschriftung von Theo selbst garantiert. Es ist nicht eindeutig zu bestimmen, ob es sich bei Theos Zeichnungen um Karikaturen, Werbeschriften oder Pamphlete handelt. Die mal grinsenden, mal lieblich schauenden Hitlerköpfe mit ihren roten Bäckchen erinnern mehr an Kasperlefiguren denn an die historische Figur des Schreckens. Durch Beschriftungen und eindeutige Zeichen entsteht dann aber doch der Eindruck von Gedenkblättern mit zweifelhafter Aussage und die vielfältig eingeflochtenen Hakenkreuze und Orden machen das wirre Gekritzel zu einem dunklen Geraune über eine unselige Zeit.

Was Theo, der selber dem nationalsozialistischen Euthanasieprogramm nur knapp entronnen ist, mit seinem nahezu endlosen Strom der Zeichnungen bezweckte, muss offen bleiben. Aus der Bilderflut lässt sich allerdings eine Mischung von Faszination, Furcht und Verehrung ablesen, die sich nicht wesentlich unterscheidet von der naiven Ehrfurcht, die seine Heiligenbilder prägt. Diese Mischung von Faszination, Furcht und Verehrung macht uns ratlos und irritiert, weil die Verantwortung dafür, ob wir selber fasziniert sind oder Abscheu verspüren, nicht an den Autoren zurück delegiert werden kann. Bei der Auseinandersetzung mit Theos Zeichnungen ist jede Betrachterin, jeder Betrachter unausweichlich gezwungen, die eigene Haltung zu überprüfen. Es stellen sich Fragen wie: Worin liegt die Faszination begründet, die wir beim Betrachten von Theos Zeichnungen verspüren? Sind die Bilder, die unter dem Deckmantel der Kunst ideologisch verwerflichste Aufrufe transportieren, nicht ein untolerierbarer Skandal? Dürfen solche Bilder überhaupt gezeigt werden? Und: Gibt es Bilder, die nicht gezeigt werden dürfen? Diese Fragen können nicht allgemeingültig beantworten werden. Sie führen aber mitten in eine fundamentale Auseinandersetzung über die Aufgaben und das Funktionieren der Bilder in unserer Gesellschaft und sie öffnen eine Diskussion über die Aufgabe der Kunst und ihrer Institutionen. Damit sprengen die Zeichnungen von Theo das Korsett der Aussenseiterkunst. An den Zeichnungen des Sonderlings kristallisieren sich vielmehr aktuellste Fragen einer zeitgenössischen Kunstdiskussion.

Zur Ausstellung erscheint ein 128-seitiger Katalog, herausgegeben von Museum Schloss Moyland, mit sechs einführenden Texten, über hundert Farbabbildungen von Theos Werken sowie reichen biografischen Materialien. Das Buch ist die erste umfassende Publikation über Theos Schaffen. Preis SFr. 38.-. Zu beziehen im Kunstmuseum des Kantons Thurgau.

Biografie