Zilla Leutenegger: Zilla und das 7. Zimmer
7. September 2008 – 14. Dezember 2008
Einzelausstellung
Zilla Leuteneggers Arbeiten bestechen durch ihre unverwechselbare Kombination von Zeichnung, Fotografie, Malerei, Raumelementen und digital bearbeiteten, bewegten Bildern. Dabei spielt die eigene Person der Künstlerin eine große Rolle. Fast immer ist sie in unterschiedlichen Rollen Protagonistin ihrer Werke, meist als einzelne, mit Linien knapp umrissene Figur. Sie begibt sich als Person stellvertretend für andere in eine bestimmte Situation, in einen bestimmten Raum hinein und verortet sich darin durch kurze Handlungen, die sich wiederholen.Zeichnungen bilden die Grundlage von Zillas Arbeiten, auch wenn sie mit anderen Medien arbeitet. Sie benutzt sie zur Konstruktion von Welt. Dabei agiert sie in fast minimalistischer Art und Weise und zeichnet nur jene Linien, die notwendig sind, um das Geschehen zu erkennen. Für „Zilla und das 7. Zimmer“ verwendet sie anstelle der Zeichnungen Schattenbilder, die für eine grössere Realitätsnähe sorgen. Indem sie diese „Bilder“ filmisch umsetzt, nutzt sie die Möglichkeit, die Aspekte der Bewegung und der Zeit mit einzubringen. Dadurch wird die Figur für den Betrachtenden auch körperlich erfahrbar.
Dabei erzählt sie keine Geschichten mit abgeschlossenen Handlungen. Es sind kurze präzise Beobachtungen von Seins-Zuständen. „In meinen Arbeiten“, so die Künstlerin „geht es viel ums Alleinsein. Meine Figur ist immer allein. Man schaut in einen Ausschnitt aus dem Leben dieser Person, und es ist immer Nacht. Sie vollzieht kleine Handlungen: Sie sitzt auf einer Treppe und trinkt ein Glas Milch, sie liegt wach im Bett, oder sie spielt einfache Stücke auf dem Flügel. Es sind Handlungen, die man in der Nacht unternimmt, wenn man allein ist und nicht schlafen kann. Dabei ist es nicht so wichtig, ob sie nun ein Glas Milch trinkt, etwas isst oder einfach nur dasitzt und sich die Fingernägel feilt. Die Handlung soll möglichst banal sein, aber doch eine Tätigkeit darstellen und sich immer wiederholen. Es sind denn auch keine narrativen Geschichten, die ich zeige, sondern im eigentlichen Sinne Bewegungsstudien.“
Im großen Ausstellungskeller des Kunstmuseums Thurgau findet Zilla Leutenegger nun einen Raum vor, der wie für ihre Arbeiten gemacht scheint. Der ehemalige Weinkeller der Kartause Ittingen ist selbst aufgeladen mit Stimmung und Atmosphäre wie kaum ein anderer Ausstellungsraum, und Geschichten über ihn gibt es mehrere. Die Künstlerin belegt diesen Ort mit Beschlag und belebt ihn mit einer „Schattenfigur“, die sich im Raum aufhält und bestimmte Handlungen vollzieht. Die Stimmung, die durch das Licht, die Musik und durch die minimale Bewegung der Figur hervorgerufen wird, ist dabei sehr wichtig, aber auch jene Aspekte, die durch den Raum vorgegeben sind und die nicht beeinflussbar sind, wie das Gewölbe, die Steine oder das mangelnde Tageslicht. Der Ausstellungskeller steht aber letztlich nicht für den Raum selbst, sondern für die Befindlichkeit eines Menschen darin. Denn für Zilla Leutenegger steht die einzelne Figur als Exempel für das Menschsein im Zentrum, sie soll in diesem speziellen Raum zuhause sein, einem Raum nahezu ohne Tageslicht, und damit auch das Wachsein in der Nacht thematisieren. So durchdringen sich in Ittingen nicht nur Zeichnung und Raum, sondern auch Geschichte und Gegenwart, was den Besuch der Ausstellung zu einem einzigartigen Erlebnis werden lässt.
Parallel zur Ausstellung im Kunstmuseum erscheint eine umfassende Publikation, die das Zeichnerische im Werk der Künstlerin ins Zentrum stellt und nebst neuesten Werken die Arbeit der letzten Jahre zusammenfasst. Ausstellung und Publikation ergänzen sich so auf ideale Weise. Mit Textbeiträgen von Beate Söntgen und Markus Landert sowie einem Gespräch der Künstlerin mit Dorothee Messmer. Gestaltung und Verlag: Christoph Keller / Edition JRP Ringier, ISBN 978-3-905829-72-3, Preis CHF 58.00, erhältlich im Bookshop des Museums und im Buchhandel.